Die Auswahl der richtigen Innovationsmethoden in etablierten Unternehmen

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Im digitalen Hyperwettbewerb gewinnt der Wettbewerb um Chancenanteile zunehmend an Bedeutung (vgl. Eckert 2017). In diesem Zusammenhang kommt dann dem Erneuerungs-, dem Problemlösungs- und dem Innovationslernen eine besondere Bedeutung zu (vgl. Eckert 2018). Eine wesentliche Gemeinsamkeit der genannten Lernarten zeigt sich im experimentellen Vorgehen.

Allgemein können Experimente auf der Grundlage eines allgemeinen Lernzyklus beschrieben werden: Design – Build – Run – Analyze. Im Design werden neue Ideen und neue Konzepte entwickelt. Im Build werden die virtuellen Modelle oder Prototypen aufgebaut, die den anschließenden Experimenten zugrunde liegen. Im Run werden die Modelle oder Prototypen dann getestet. Im Analyze geht es um das Ziehen von Schlussfolgerungen und somit letztendlich um das Lernen aus dem Experiment (vgl. Eckert 2018).

Die zunehmende Bedeutung des experimentellen Lernens zeigt sich dann auch in einer Vielzahl von neuen Innovationsmethoden, die auf diesem experimentellen Lernen basieren: u.a. Lean Start-up, Lean Design Thinking, Rapid Design, Rapid Business Model Design/Attack (vgl. Eckert 2018). Der wesentliche Unterschied zwischen den Methoden zeigt sich dann darin, dass der Lernzyklus unterschiedlich häufig und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durchlaufen wird.

Während im Rapid Design und Rapid Business Model Design/Attack der Lern- bzw. Experimentierzyklus einmal innerhalb von wenigen Tagen durchlaufen wird, wird der Lernzyklus beim Lean Startup und auch beim Lean Design Thinking beliebig häufig wiederholt. Während beim Lean Startup der Lernzyklus insbesondere auf dem Product-Market-Fit liegt, setzt das Lernen im Lean Design Thinking einen besonderen Fokus sowohl auf den Problem-Solution-Fit als auch auf den Product-Market-Fit.

Gleichzeitig sind die Aufsatzpunkt für die Lernzyklen in den genannten Methoden unterschiedlich. Beim Rapid Design geht es um die Weiterentwicklung eines Produkts bzw. eines Produktelements in kurzer Zeit und damit um eine Nutzeninnovation. Beim Rapid Business Model Design/Attack geht es häufig nur um eine erste Verprobung von Ideen für multidimensionale Nutzen- und Geschäftsmodellinnovation. Beim Lean Startup und beim Lean Design Thinking sollen unterschiedliche radikale Nutzeninnovationen mit Geschäftsmodellinnovationen verbunden werden.

Während sich das Lean Startup als Innovationsmethode für junge Wachstumsunternehmen etabliert hat, ergeben sich für etablierte Unternehmen aus der Vielzahl der Methoden durch-aus Entscheidungsprobleme. So fällt es hier nicht immer leicht, auf die richtige Innovations-methode zu fokussieren oder auch zu entscheiden, mit welchen finanziellen und personellen Ressourcen ein Innovationsprojekt wie lange ausgestattet werden soll. Alle drei Fragen sind eng miteinander verbunden und können deshalb auch nur integriert beantwortet werden.

Der richtige Fokus und die richtige Methode können z.B. mit Hilfe einer Einschätzung von Innovationsattraktivität und des erwarteten relativen Entwicklungsaufwands abgeleitet werden. Bei dieser Einschätzung geht es weniger um eine harte Beurteilung, sondern um eine grobe Einschätzung der Entwicklungsaktivitäten im relativen Vergleich zueinander.

So können einige wenige Schlüsselfragen zur Beurteilung der Innovationsattraktivität schon weiterhelfen, z.B.: Gibt es einen konkreten „Job-to-be-done“? Steht anstelle eines Jobs-to-be-done eher eine langfristige „Vision of the Customers Future“ im Fokus? Geht es primär um eine Nutzeninnovation und/oder auch um die Veränderung ausgewählter Elemente des Geschäftsmodells?

Im Zusammenhang mit der Nähe zu den strategischen Kompetenzen können z.B. folgende Fragen bedeutsam sein: Geht es um eine inkrementelle Nutzeninnovation mit einem angestrebten „time-to-market“ (Produkte/Dienstleistungen) oder um multidimensionale Nutzen- und Geschäftsmodellinnovation mit einem offenen „time-to-completion“? Basieren die Innovationen auf den vorhandenen strategischen Kompetenzen?

Auf der Grundlage dieser und weiterer Fragen kann eine erste Eingliederung der geplanten Entwicklungsprojekte und eine Entscheidung über die richtige Methode vorgenommen werden. So scheint sich das Rapid Design insbesondere dann anzubieten, wenn es sich um eine hoch attraktive Produktidee (Nutzeninnovation) handelt, die auf bestehenden strategischen Kompetenzen aufbaut und innerhalb kurzes Zeit hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Marktrelevanz getestet werden soll. Klassische inkrementelle Innovationen können hingegen mit dem bekannten Methodenmix des Lean/Fast Innovation in einem Stage Gate-basierten Lernprozess vorangetrieben werden. Demgegenüber bietet sich das Lean Design Thinking insbesondere dann an, wenn identifizierte Problemlösungen in Verbindung mit einem modifizierten Geschäftsmodell im Fokus stehen. Das Rapid Business Model Design/Attack dient dazu, hoch attraktive und neue Geschäftsmodelle in einem kurzen Zeitfenster zu überprüfen.

Vor diesem Hintergrund können verschiedene Projekte (z.B. Projekte 1-4 in der Abbildung) in die Matrix eingeordnet werden und die sinnvolle Projektmethode bestimmt werden. So ist hier fiktiv z.B. für das Projekt 1 das Lean/Fast Innovation eine sinnvolle Methode, während man z.B. bei Projekt 4 eher das Lean Startup nutzen sollte. Bei Projekt 3 bietet es sich in Bezug auf die Ressourcen-schonung zunächst an, ein Rapid Design (Nutzeninnovation) oder ein Rapid Business Model Design/Attack einem möglichen Lean Design Thinking voranzustellen.

Es zeigt sich, dass die genannten Lern- bzw. Innovationsmethoden durchaus ihre Berechtigung haben, da diese Methoden verschiedene Schwerpunkte setzen. Gleichzeitig benötigen die genannten Methoden ein unterschiedlich hohes Investitionsbudget. Soll in einem etablierten Unternehmen (zunächst) nur ein geringes Investitionsbudget für attraktive Innovationsvorhaben zur Verfügung gestellt werden, bieten sich Rapid Design (Fokus Nutzen) oder Rapid Business Model Design/Attack (Fokus Geschäftsmodell) an. Hier werden in enger Interaktion mit dem (potenziellen) Kunden schnelle erste Lösungen erarbeitet, die die Grundlage für weitere Freigaben sein können. Beim Lean Startup und beim Lean Design Thinking handelt es sich um weitgehend ergebnisoffene Innovationsprozesse, die nach einer definierten Anzahl von Lernzyklen jeweils fortgesetzt bzw. abgebrochen werden können. Entscheidend wird hier sein, ob die definierte Sequenz an Lern- bzw. Innovationsiterationen das Unternehmen tatsächlich näher an einen Problem-Solution-Fit bzw. an einen Product-Market-Fit herangebracht haben. Das Lean/Fast Innovation ist aufgrund der Fokussierung auf inkrementelle Innovation ganz klassische anhand von definierten Gates (Stage Gate-/Fast Gate-Methode) plan- und finanzierbar.

Ergänzende Literatur:

Eckert, R. (2017), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme. Springer Gabler, Wiesbaden (voraussichtlicher Veröffentlichungstermin August 2018).

erstmals erschienen als Blog-Beitrag auf linkedin: https://www.linkedin.com/pulse/moderne-innovationsmethoden-etablierten-unternehmen-eckert/