Warum Lean Startup die falschen Schwerpunkte setzt

Lean Startup hat sich zum Quasi-Standard in der (digitalen) Startup-Szene entwickelt, wenn es um das Prozessvorgehen bei der Integration einer Nutzeninnovationen (Value Proposition Innovation) mit einer Geschäftsmodellinnovationen (Business Model Innovation) geht. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das scheinbar etablierte Methodenset des Lean Startups die Erfolgswahrscheinlichkeiten von Startup-Unternehmen nicht unbedingt erhöht.

Dafür scheint es insbesondere zwei plausible Gründe zu geben. Zum einen wird genannt, dass die geringe Erfolgsquote des Lean Startups auf den hohen Innovationsgrad der „neuen Geschäftsidee“ zurückzuführen wäre. Zum anderen birgt das angestrebte schnelle Skalieren des Geschäftsmodells deutliche Umsetzungsrisiken.

Gerade das erstgenannte Risiko muss und soll im Rahmen dieses Beitrags kritisch betrachtet werden. So zeigen Untersuchungen, dass eine Mehrzahl vermeintlich neuer Geschäftsmodellinnovationen lediglich Imitationen sind, die z.B. auf neue Kundengruppen (Couchsurfing vs. AirBnB) ausgerichtet wurden. Ergänzend zeigt sich, dass nur rd. 21 Prozent der Geschäftsideen von Startup-Unternehmen tatsächlich auf den eigenen (kundenorientierten) Untersuchungsergebnissen bzw. den eigenen Geschäftsideen der Gründer basieren. Die Mehrzahl der Startup-Unternehmen – rd. 52 Prozent – nutzen hingegen Geschäftsideen, die im Rahmen einer vorherigen beruflichen Tätigkeit entstanden sind. Zudem zeigt sich, dass die Mehrzahl der erfolgreichen Unternehmensgründer vor der Unternehmensgründung bei einem bereits erfolgreichen Unternehmen in der gleichen Branche gearbeitet hat, in welchem dann später die Gründung erfolgte.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Lean Startup (und kundenzentrierte Erweiterungen wie das Lean Design Thinking) tatsächlich die richtigen methodischen Schwerpunkte für Unternehmensgründer setzt. Aus unserer Sicht müssen die Schwerpunkte im Lean Startup vielmehr neu adjustiert und anders ausbalanciert werden. Wir nennen diesen modifizierten Ansatz dann Fast Startup.

Konzept und Elemente von Lean Startup

 Die Lean Startup-Methode geht auf Eric Ries und Steve Blank zurück. Ziel von Lean Startup ist es, die Innovationstätigkeit in Startup-Unternehmen zu beschleunigen. Im Wesentlichen geht es bei Lean Startup darum, möglichst schnell neue Opportunitäten zu identifizieren und durch Experimente mit dem Kunden zu verifizieren.

Der Fokus beim Lean Startup liegt auf einer schnellen Nutzeninnovation (z.B. Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen), deren Umsetzung mit der Entwicklung des notwendigen Geschäftsmodells (z.B. Kundenzugänge, Partnernetzwerke) verbunden wird. Damit verbindet Lean Startup erstmals zwei bisher getrennte Innovationsschwerpunkte – Nutzeninnovation und Geschäftsmodellinnovation – konkret miteinander.

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Schritt 1: Customer Discovery

Am Anfang des Lean Startup-Prozesses stehen – noch vor der ersten Produktentwicklung – erste Hypothesen zu den vermuteten Kundenproblemen bzw. den vermuteten Kundenbedürfnissen, die das zu entwickelnde Produkt befriedigen soll. Das Verstehen des Problems erfolgt auf der Grundlage von Kundenbeobachtungen, von Kundeninterviews, etc.

Darauf aufbauend werden erste Lösungsansätze für das identifizierte Kundenproblem erarbeitet (Problem-Solution Fit), welche wiederum in enger Abstimmung mit dem Kunden plausibilisiert werden. Im Rahmen und eng verbunden mit dem Problem-Solution-Fit steht die Frage, ob eine signifikante Anzahl von Kunden identifiziert werden können (Product-Market-Fit).

Sowohl für die Prüfung des Problem-Solution Fits als auch für die Prüfung des Product-Market-Fits nutzt das Lean Startup das sogenannte „Minimum Viable Product“ (MVP), welches ausgewählte Merkmale der Problemlösung bzw. des Produkts in Abstimmung mit dem Kunden überprüfen. Dieses Vorgehen wird iterativ wiederholt, bis ein abgestimmtes Produkt und ein dazu abgestimmtes Geschäftsmodell entstanden ist.

Schritt 2: Customer Validation

Im Schritt der Kundenvalidierung steht die Überprüfung der Skalierbarkeit von Produktangebot und insbesondere auch des Geschäftsmodells im Mittelpunkt. Es geht dann u.a. um die Prüfung der Skalierbarkeit der Produkt-, der Kundenakquise- oder auch der Preisgestaltungsaktivitäten. Erst die Skalierbarkeit von Produktangebot und Geschäftsmodell machen einen weiteren Entwicklungsschritt des Startup-Unternehmens sinnvoll. Gleichzeitig steht in der Kundenvalidierung der Marketing- und Vertriebsplan im Mittelpunkt. Durch eine fokussierte Nutzung von Testverkäufen etc. wird frühzeitig geprüft, ob tatsächlich eine Akzeptanz bei den Käufergruppen besteht.

Schritt 3: Customer Creation

In der Phase der Customer Creation steht der aktive Auf- bzw. Ausbau der Kundenbasis im Fokus des Managementteams. Das Customer Creation muss entsprechend der Zielsetzungen des Startup-Unternehmens spezifisch angepasst werden.

Schritt 4: Company Building

In der Phase des Unternehmensaufbaus geht es letztendlich darum, aus dem validierten Geschäftsmodell die Designkriterien für den Aufbau der Unternehmensorganisation abzuleiten. Hier geht es dann um die Gestaltung des Organisationsmodells, die Festlegung der Funktionsbereiche mit den zugehörigen Rollen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Im Allgemeinen geht sich ein Startup-Unternehmen in dieser Phase von einer flexiblen Netzwerkorganisation in eine Funktionalorganisation über.

 

Fast Startup als Gegenentwurf zum klassischen Lean Startup

 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Lean Startup insbesondere um die Kundenzentrierung herum entwickelt wurde. Das strukturierte Vorgehen mit Fokus auf den Kunden reicht aus unserer Sicht allerdings nicht aus, um als Startup-Unternehmen erfolgreich zu sein.

So werden zwei Erfolgsfaktoren zu wenig beachtet:

  1. Im Übergang von der Customer Validation (Phase 2) und der Customer Creation (Phase 3) findet sich das Valley of Death, welches Geoffrey Moore ausführlich als Crossing the Chasm beschrieben hat. Hier wandelt sich die Kundengruppe und die Marketing- und Vertriebsaktivitäten eines Unternehmens müssen entsprechend angepasst werden.

  2. Zusätzlich haben Untersuchungen gezeigt, dass Unternehmensgründungen insbesondere dann erfolgreich sind, wenn sie auf Kompetenzen aufsetzen (können), die im Gründungsteam in einer ausreichenden Tiefe schon vor der Gründung vorhanden waren. So stammen rd. 52 Prozent der Innovationen von Startup-Unternehmen aus Produkt- und Geschäftsideen, die der Gründer aus seinem vorherigen beruflichen Umfeld mitgenommen hat. Nur rd. 21 Prozent der Innovationen stammen aus eigenen Untersuchungen des Gründers.

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Schritt 1: Driving Force Analysis

Berücksichtigt man die genannten Forschungsergebnisse, nach denen erfolgreiche Startup-Unternehmen auf vorhandene Problemlösungskompetenzen des Gründerteams aufsetzen, dann steht fest, dass in einer ersten Phase die strategische Problemlösungskompetenzen des Gründerteams im Fokus stehen muss.

Im Gegensatz zum Lean Startup setzt die Überlegungen zum Fast Startup auf den Problemlösungskompetenzen im Gründerteam des Startup-Unternehmens in einer ersten Phase des Driving Force Analysis auf. Aus der Driving Force Analysis zeigt sich, welchen Kundennutzen das Startup-Unternehmen erfolgreich anbieten kann.

Schritt 2: Customer Discovery

In der zweiten Phase der Customer Discovery geht es um die Identifizierung der relevanten Zielgruppen auf der Grundlage der Problemlösungskompetenzen und der anzubietenden Kundennutzen. Hier geht es somit um eine entsprechende zweifache Spezialisierung des Startup-Unternehmens auf die konkrete(n) Zielgruppe(n) und die spezifischen Problemlösungen. Im Mittelpunkt des Customer Discovery stehen dann insbesondere die Zielgruppen, bei denen die Problemlösungskompetenz den größtmöglichen Kundennutzen erbringen. Damit steht die Identifizierung der relevanten Jobs-to-be-done im Fokus. Hier geht es insbesondere um drei Kernfragen, die es zu beantworten gilt: Warum kauft die Zielgruppe das Produkt und welches Ziel möchte die Zielgruppe damit erreichen? Warum kaufen potenzielle weitere Zielgruppen das Produkt nicht? Wie kann mein Produkt das Ziel der identifizierten Zielgruppen weiter verbessern?

Aus der Identifizierung der Problemlösungs-Zielgruppen-Kombination sollte eine Skalierbarkeit des Produktangebots möglich sein, sofern das entsprechende Geschäftsmodell ausgehend von der Problemlösungskompetenz und dem angebotenen Kundennutzen abgeleitet wurde. Es geht um hier um eine kohärente Entwicklung des Geschäftsmodells.

Schritt 3: Customer Validation

In der Phase des Customer Validation geht es im Fast Innovation um das anfangs angesprochene „Crossing the Chasm“. Im Mittelpunkt steht somit die Skalierung des Geschäftsmodells. Es geht somit um die Frage, welche Elemente des Geschäftsmodells außerhalb des Geschäftsmodellkerns (Business Model Prototype) hierzu angepasst werden müssen.

Schritt 4: Company Building

In der Phase des Unternehmensaufbaus geht es letztendlich darum, aus dem validierten Geschäftsmodell die Designkriterien für eine agile Unternehmensorganisation. Aus dem wenig strukturierten Netzwerk der Gründungsphase (Phasen 1 und 2) steht die Entwicklung einer agilen Matrixorganisation aus Kompetenzbereichen und agilen Themenschwerpunkten im Mittelpunkt.

  

Fast Startup zur beschleunigten Unternehmensgründung

Die Vorgehensweise des Fast Startups ist durchaus an den Vorgehensschritten des Lean Startups angelehnt. Veränderungen und Anpassungen erfolgen dort, wo neue Erkenntnisse das Lean Startup verbessern. Insbesondere wird auf die Erkenntnis Rücksicht genommen, die erfolgreiche Startup-Gründungen mit den strategischen Kompetenzen des Gründerteams in Verbindung bringt. In einer kurzen Gegenüberstellung zeigen sich dann die wesentlichen Unterschiede zwischen Fast Startup und Lean Startup.

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Hinweis: Einen Download des Beitrags in englischer und deutscher Sprache finden Sie auch im Download-Bereich dieser Homepage.

Warum Amazon in strategischen Einflusssphären denkt und das 3-Horizonte-Modell zukünftig nicht mehr weiterhilft

Häufig wird der Erfolg der erfolgreichen Technologieunternehmen (z.B. Amazon) auf die konsequente Ausrichtung der Innovationsaktivitäten auf die drei Innovationshorizonte zurückgeführt. In diesem kurzen Beitrag soll aufgezeigt werden, dass die erfolgreichen Technologieunternehmen eher in strategischen Einflusssphären denken. Das Denken in strategischen Einflusssphären ist aus unserer Sicht erfolgsentscheidend und insbesondere für den zukünftig bedeutsamen digitalen Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen unbedingt erforderlich.

Vor einiger Zeit hat der Amazon-CEO Jeff Bezos mit Bezug auf drei Amazon-Projekte - den Amazon Marktplatz, Amazon Prime und Amazon Web Services – festgehalten, dass diese Projekte zunächst „mutige Wetten“ waren und „vernünftigere Naturen“ große Zweifel gehabt hätten, dass sie funktionieren können. Der Marktplatz etwa ging aus zwei gescheiterten Produkten (Amazon Auctions und zShop) hervor. Prime verlor erst Millionen von Dollar, bevor es genug Kunden anzog, um die Kosten zu rechtfertigen. Die Web-Services-Cloud sei zu Beginn auf (damalige) Start-Ups wie Pinterest oder Dropbox angewiesen gewesen, bevor sich größere Unternehmen dafür interessierten. Heute sorgen Marktplatz-Händler für mehr als die Hälfte aller Amazon-Verkäufe, Prime hat über 100 Millionen Abonnenten und Amazon Web Services bringt über fünf Milliarden Dollar Umsatz ein.

In einer (noch) aktuellen Sichtweise würde man den Erfolg von Amazon auf die konsequente Ausrichtung der Innovationsaktivitäten auf das altbekannte 3-Horizonte-Modell von Baghai et. al. (1999) zurückführen. Dies gilt umso mehr, als das 3-Horizonte-Modell inzwischen durch einen Geschäftsmodellbezug modifiziert wurde. So wird in dieser modifizierten Sichtweise festgestellt, dass die verbesserten Nutzenangebote (H1-Verbesserungsinnovationen) im Innovationshorizont Eins keiner wesentlichen Veränderung des aktuellen Geschäftsmodell eines Unternehmens bedürfen. Die kerngeschäftsnahen Nutzeninnovationen (H2) setzen im Allgemeinen auch Geschäftsmodellvariationen voraus, während die kerngeschäftsfernen Nutzenangebote (H3) häufig auf radikal veränderte Geschäftsmodelle zurückzuführen sind (vgl. Eckert 2017).

In der Sichtweise dieses modifizierten 3-Horizonte-Modells hat Amazon das bekannte Nutzenangebot bzw. die Nutzeninnovationen konsequent auf die drei Innovationshorizonte ausgerichtet. So hat Amazon z.B. durch Amazon Prime eine H2-Nutzeninnovationen umgesetzt, die kundenseitig das Amazon-Geschäftsmodell modifizierte. Gleichzeitig hat das Unternehmen aber auch ein neues Nutzenangebot im kerngeschäftsfernen Innovationshorizont H3 durch z.B. die Entwicklung des Angebots des Amazon Web Services aufgebaut.

Zusammenfassend kann man aus der Perspektive des modifizierten 3-Horizonte-Modells die Erfolgsgeschichte von Amazon kurz wie folgt beschreiben: Begonnen hat Amazon mit einer Innovation des klassischen Retail-Geschäftsmodells, welches sukzessive ausgeweitet wurde (H2-Innovationen). Die Entwicklung zum Marktplatz kann aufgrund der radikalen Veränderung als H3-Innovation beschrieben werden, da hier insbesondere das Matching zwischen Lieferanten und Kunden von Bedeutung ist. Demgegenüber ist Amazon Prime eher eine H2-Innovation, die kundenseitig das Geschäftsmodell modifiziert.

Die Beschreibung der Entwicklung von Amazon verdeutlicht aber aus unserer Sicht eine wesentliche Schwäche des 3-Horizonte-Modells. Ähnlich dem in anderen Kontexten bekannten Lebenszykluskonzept ermöglicht das 3-Horizonte-Modell eher eine beschreibende Darstellung einer vergangenen Entwicklung. Es ist in unserem Verständnis aber weniger als Methode zur pro-aktiven strategischen Steuerung geeignet. Zudem macht auch die zunehmende Bedeutung von branchenübergreifenden Wettbewerbsarenen in unserem Verständnis eine neue Perspektive notwendig. In unseren Überlegungen ist hier ein Denken in strategischen Einflusssphären in branchenübergreifenden Wettbewerbsarenen dann wesentlich zielführender.

Im Mittelpunkt unserer neuen Betrachtungen stehen verschiedene Einflusssphären in einer Wettbewerbsarena, die für ein Unternehmen unterschiedlich wichtig sein können und die zukünftigen Wettbewerbsschwerpunkte bestimmen. In diesem Zusammenhang unterscheiden wir zwischen der Kernsphäre, der Vitalsphäre, der Angriffssphäre, der Verteidigungssphäre und der Pivotsphäre. Dabei liegt in der Pivotsphäre der Fokus auf den Eintritt in eine neue Wettbewerbsarena, während die anderen strategischen Einflusssphären insbesondere die aktuelle Wettbewerbsarena eines Unternehmens im Fokus haben:

  • Kernsphäre eines Unternehmens: Hierbei handelt es sich um den Bereich einer Wettbewerbsarena, auf den das aktuelle Nutzenangebot und damit auch das aktuelle Geschäftsmodell eines Unternehmens ausgerichtet ist. Dieser Kernbereich ist aufgrund der höchsten Wert-/Ergebnis- und Cash-Flow-Beiträge von besonderer Bedeutung für ein Unternehmen.

  • Vitalsphäre eines Unternehmens: Hierbei handelt es sich um einen Einflussbereich nahe der Kernsphäre eines Unternehmens. Das bisherige Nutzenangebot wird verbessert, ohne das bestehende Geschäftsmodell zu verändern.

  • Angriffssphäre eines Unternehmens: Hierbei handelt es sich um eine pro-aktive Weiterentwicklung des Nutzenangebots und des Geschäftsmodells innerhalb der Wettbewerbsarena. Das bisherige Nutzenangebot in der Kernsphäre wird durch ein ergänzendes oder ein ersetzendes Nutzenangebot bzw. ein damit zusammenhängendes Geschäftsmodell verstärkt oder verändert.

  • Verteidigungssphäre eines Unternehmens: Hier baut ein Unternehmen ein Nutzenangebot inkl. Geschäftsmodell auf, der welches der Verteidigung der Kernsphäre dient. Hier geht es u.a. darum, das aktuelle Nutzenversprechen unabhängig von Dritten zu machen.

  • Pivotsphäre eines Unternehmens: In der Pivotsphäre geht es darum, gezielt Risiken einzugehen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hier geht es dann darum, neue Positionen in einer neuen oder anderen Wettbewerbsarena zu besetzen.

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Unter Nutzung der genannten fünf strategischen Einflusssphären ergibt sich dann eine neue Sicht auf die strategische Entwicklung von Amazon. Die Kernsphäre von Amazon kann durch das Online-Buchhandelsgeschäfts beschrieben werden. Im Anschluss an die Kernsphäre hat Amazon eine erste Vitalsphäre identifiziert. Durch die Erweiterung des Nutzenangebots auf andere Warengruppen konnten die Erfahrungen aus der Kernsphäre mit einem geringen Risiko auf einen kerngeschäftsnahen Bereich übertragen werden. Auch Amazon Prime kann als Aktivität in der Vitalsphäre identifiziert werden. Der Übergang vom Retail-Geschäftsmodell zum Plattform-Geschäftsmodell in der Angriffssphäre ging dann mit einer radikalen Änderung des Nutzenangebots einher. Dieser Übergang war dann aber nicht aus einer unbestimmten Innovationssicht eines dritten Innovationshorizonts bestimmt, sondern leitete sich aus einer konkreten strategischen Überlegung ab. Gleichzeitig erkannte Amazon sukzessive, dass das eigene Nutzenangebot durch entsprechende schnelle Logistikleistungen für den Versand gestützt und geschützt werden muss. Durch die eigenen Logistikaktivitäten kann das Leistungsversprechen aus dem Retail- bzw. dem Plattformgeschäft abgesichert und verteidigt werden (Verteidigungssphäre). Bei der Pivotsphäre handelt es sich um einen Bereich, der unabhängig von der aktuellen Wettbewerbsarena ist, es einem Unternehmen aber bei Erfolg erlaubt, eine neue Kernsphäre in einer neuen Wettbewerbsarena aufzubauen. Genau darum geht es beim Aufbau von Amazon Web Services

Das Denken in aktuelle und notwendige Einflusssphären macht es auch möglich, die bekannten Innovationsmethoden diesen identifizierten strategischen Zielsetzungen zuzuordnen. In diesem Zusammenhang wird in Anlehnung an Eckert (2018) zwischen Lean Start-up, Lean Design Thinking, Rapid Design, Lean/Fast Innovation und Design Sprint unterschieden.

  • Innovationen zur Stärkung der Kernsphäre eines Unternehmens: Um die Position in der Kernsphäre zu stärken, reichen insbesondere inkrementelle Veränderungen im Sinne von (Verbesserungs-)Innovationen aus. Im Mittelpunkt werden hier insbesondere die klassischen Methoden des Lean/Fast Innovation stehen.

  • Innovationen zur Stärkung der Vitalsphäre eines Unternehmens: Hierbei handelt es sich um die Steigerung des Einflusses nahe der Kernsphäre eines Unternehmens. Das bisherige Nutzenangebot wird verbessert, ohne das bestehende Geschäftsmodell zu verändern. Aus unserer Sicht bietet sich hier dann insbesondere das Design Sprint als bevorzugte Innovationsmethode an.

  • Innovationen zur Stärkung der Angriffssphäre eines Unternehmens: Hierbei handelt es sich um eine pro-aktive Weiterentwicklung des Nutzenangebots und des Geschäftsmodells innerhalb der Wettbewerbsarena. Hier geht es um eine pro-aktive Geschäftsmodellentwicklung und damit um schnelle iterative Lern-/Innovationsprozesse. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen bietet sich insbesondere das Lean Design Thinking an.

  • Innovationen zur Stärkung der Verteidigungssphäre eines Unternehmens: Hier baut ein Unternehmen ein Nutzenangebot inkl. Geschäftsmodell auf, der welches der Verteidigung des Kern-Einflussbereichs in der Wettbewerbsarena dient. Hier geht es u.a. darum, das aktuelle Nutzenversprechen unabhängig von Dritten zu machen. Aufgrund der bekannten Problemstellung geht es hier insbesondere um den Einsatz von Lean Start-up.

  • Innovationen zur Stärkung der Pivotsphäre eines Unternehmens: In der Pivotsphäre geht es darum, gezielt Risiken einzugehen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hier geht es dann darum, einen neuen Kernbereich in einer neuen Wettbewerbsarena zu besetzen. Hier bietet sich aufgrund der notwendigen Geschwindigkeit das Rapid Design an.

Die Ausführungen haben gezeigt, dass den strategischen Einflusssphären im (digitalen) Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen eine besondere Bedeutung zukommt. Hierzu müssen Unternehmen Ihre aktuelle Position in der Wettbewerbsarena (Nutzenkategorien, Elemente des Geschäftsmodellkerns) beschreiben und aus dieser individuellen Position die verschiedenen strategischen Einflusssphären und deren Bedeutung identifizieren.

Zuerst erschienen auf linkedin

Ergänzende/Vertiefende Literatur:

Aussagen von Jeff Bezos, auf https://www.amazon-watchblog.de/jeff-bezos/1454-jeff-bezos-traumhaftes-geschaeftsmodell-vier-merkmale.html).

Eckert, R. (2016), Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen: Strategie und strategisches Geschäftsmodellim Fokus, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2017), Lean Start-up is not enough in established companies, auf http://www.hyperwettbewerb.com/new-blog/2016/10/19/lean-start-up-is-not-enough-in-established-companies.

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme, Springer Gabler.

 

Herausforderung Crossroad-Management: Blitzscaling und Fastscaling im digitalen Hyperwettbewerb

Im digitalen Hyperwettbewerb müssen der datenbasierten Hyperwettbewerb um Marktanteile und der innovationsorientierte Hyperwettbewerb um Chancenanteile gleichwertig betrachtet werden. Dennoch gilt häufig, dass Managementteams auf den datenbasierten Hyperwettbewerb um Marktanteile fokussieren. Trotz der Digitalisierung gilt aber weiter, dass Informations- und Wettbewerbsvorteile nur temporär sind und die Lebensdauer von Informations- und Wettbewerbsvorteilen auch im datenbasierten Hyperwettbewerb um Marktanteile - analog dem bekannten klassischen Wettbewerb - immer kürzer werden.

Dies bedeutet dann aber in der Konsequenz, dass im digitalen Hyperwettbewerb der innovationsorientierte Wettbewerb um Chancenanteile und damit der Wettbewerb um die Zukunft für Unternehmen zunehmend erfolgsentscheidend ist. Es müssen in immer kürzer werdenden Zeithorizonten neue Informations- und Wettbewerbsvorteile durch z.B. Strategic Foresighting, neue Geschäftsmodelle, etc. geschaffen werden. Es geht hier dann um das Suchen von (Zukunfts-)Chancen und um den proaktiven Aufbau von Opportunitäten.

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Dabei geht der Begriff des innovationsorientierten Hyperwettbewerbs um Chancenanteile in unserem Verständnis deutlich über den bekannten Begriff des Innovationswettbewerbs hinaus. Während im Innovationswettbewerb insbesondere inkrementelle Produkt- und Prozessinnovationen oder auch selektive operative Geschäftsmodellinnovationen (z.B. neue Kundenkanäle, neue Wertschöpfungspartner) zur Stärkung der eigenen strategischen Positionierung und Differenzierung im Mittelpunkt stehen, geht es im innovationsorientierten Hyperwettbewerb um Chancenanteile um ein multidimensionales Business Innovation Management (vgl. Eckert 2017) und damit um die Gestaltung einer strategische Überlegenheit (vgl. Eckert 2014).

Crossroad-Management als Management des Übergangs vom Chancen- zum Marktanteilswettbewerb

Folgt man den genannten Überlegungen, dann müssen Unternehmen im digitalen Hyperwettbewerb neue Wettbewerbsvorteile immer schneller erarbeiten. Das bedeutet zum einen eine zunehmende Wichtigkeit des multidimensionalen Business Innovation Managements zur pro-aktiven Erarbeitung von Zukunftsoptionen, aus denen Wettbewerbsvorteile entstehen. Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass ein aktives Crossroad-Management aufgrund der zunehmenden Häufigkeit des Übergangs vom Chancenanteilswettbewerb zum Marktanteilswettbewerb zunehmend wichtig wird.

Geht man davon aus, dass Zukunftsoptionen häufig mit veränderten oder auch neuen Geschäftsmodellen in getrennten Organisationseinheiten einhergehen, dann lassen sich die Schwerpunkte des Crossroad-Managements anhand eines allgemeinen Entwicklungspfads eines (jungen) Wachstumsunternehmens darstellen.

In diesem Zusammenhang sprechen z.B. Churchill und Lewis (1983) von fünf Entwicklungsphasen eines (jungen) Wachstumsunternehmens: In einer ersten Phase („Existence“) geht es um den Product-Market-Fit des Produkts oder der Leistung einer jungen Wachstumsunternehmens. Hier geht es dann auch um die klassische strategische Positionierung eines Unternehmens nach Porter (Produkte/Dienstleistungen, Kundensegmente, Kundenkanäle). In einer zweiten Phase („Survival“) geht es um den Nachweis der operativen Leistungsfähigkeit des Geschäftsmodells und um den Nachweis der zukünftigen Profitabilität. In der dritten Phase („Success“) geht es um die Vorbereitung des zukünftigen Wachstumspfads. Im Mittelpunkt dieser Phase stehen damit u.a. die zielangepasste Gestaltung der Management- und Führungssysteme, um den Aufbau der IT-Infrastruktur und auch um die Gestaltung des zukünftigen Organisationsmodells. Ist eine Entscheidung zum zukünftigen Wachstumspfad gefallen, dann geht es in der vierten Phase („Take-off“) schließlich um die Realisierung dieses Unternehmenswachstums. In einer fünften Phase erreicht das Wachstumsunternehmen dann letztendlich eine Phase der Reife („Ressource Maturity“). Hier geht es dann um eine Stabilisierung nach der Take-off-Phase und um die weitere Gestaltung des Unternehmens. Es ist davon auszugehen, dass jedes junge Wachstumsunternehmen, aber auch ausgegliederte innovative Unternehmenseinheiten in etablierten Unternehmen, diesem Wachstumspfad folgen.

Betrachtet man die genannten fünf Phasen, so können die ersten drei Phasen mit dem Vorgehen des Lean Start-ups bzw. des Lean Design Thinkings und damit mit dem Wettbewerb um Chancenanteile in Verbindung gebracht werden (vgl. Eckert 2018). In der fünften Phase hat ein Unternehmen ein (erstes) stabiles Erfolgsplateau und damit den Wettbewerb um Marktanteile erreicht. Für das aktive Management des Übergangs vom Wettbewerb um Chancenanteile auf den Wettbewerb um Marktanteile scheint somit insbesondere die vierte Phase – die Take-off-Phase – von Bedeutung. Hier kommt dann insbesondere dem Scaling als Instrument des Crossroad-Managements eine besondere Bedeutung zu.

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Scaling als Instrument des Crossroad-Managements

Der Begriff des Scalings beschreibt in unserem Verständnis ein Instrument des aktiven Crossroad-Managements in der Phase des Take-offs. Dabei bezieht sich das Scaling nicht notwendigerweise nur auf junge Wachstumsunternehmen. Mit diesem Begriffsverständnis weichen wir von der Sichtweise von z.B. Hoffman (2018) ab.

Nach Hoffman (2018) können allgemein vier Arten des Scalings unterschieden werden. Im „classic start-up growth“ steht ein profitables Wachstum in einer frühen Entwicklungsphase eines Unternehmens im Mittelpunkt. Das „classic scale-up growth“ kann als klassisches profitables Wachstum eines Unternehmens angesehen werden. Hier steht das Wachstum unter der Prämisse, dass das eingesetzte Kapital die Kapitalkosten des Unternehmens übertrifft. Damit beschreibt das scale-up-growth in unserem Verständnis das klassische Unternehmenswachstum im Marktanteilswettbewerb. Im Fastscaling geht es um ein optimales Wachstum unter relativ stabil abschätzbaren Umweltbedingungen, während im Blitzscaling ein exzessives Wachstum unter relativ dynamischen Umweltbedingungen im Mittelpunkt steht.

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Crossroad-Management: Blitzscaling und Fastscaling im Take-off

Die vorangestellten Überlegungen haben gezeigt, dass der Übergang vom Chancenanteilswettbewerb zum Marktanteilswettbewerb durch verschiedene Herausforderungen für das Unternehmensmanagement geprägt ist. Von entscheidender Bedeutung ist hier jedoch die Take-off-Phase. In unseren Überlegungen sind nur das Blitzscaling und das Fastscaling dieser Phase des Crossroads und damit dem Crossroad-Management zuzuordnen.

Blitzscaling und Fastscaling sind in unserem Verständnis zwei risikoadjustierte Methoden zur Umsetzung einer Wachstumsstrategie im Crossroad. Dabei handelt es sich beim Blitzscaling um eine exzessive Wachstumsstrategie. Exzessives Wachstum zeichnet sich dadurch aus, dass die eigenen finanziellen und personellen Ressourcen nicht mehr zur Umsetzung des Wachstums ausreichen. Beim Fastscaling handelt es sich demgegenüber um eine optimierte Wachstumsstrategie, die sich an den vorhandenen und erreichbaren Ressourcen ausrichtet. Folgt man den Überlegungen von Hoffman, dann bietet sich das Blitzscaling insbesondere bei dynamischen und damit veränderbaren Umweltbedingungen an, während das Fastscaling als Methode insbesondere für vorhersehbare und stabile Umweltbedingungen sinnvoll ist. Damit folgt aber auch, dass das Blitzscaling im Vergleich zum Fastscaling eine höhere Risikobereitschaft bedingt.

In unseren Überlegungen sind diese Unterscheidungskriterien sicher richtig, aber nicht ausreichend. Würde man dieser Logik folgen, dann müsste ein Unternehmen in einer zunehmend dynamischen Umwelt immer das Blitzscaling im Crossroad nutzen.

Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, den Einsatz der beiden Methoden des Crossroad-Managements mehr an den bekannten Innovationsparadigmen auszurichten. In einer klassischen Sichtweise werden im Allgemeinen drei Innovationsparadigmen unterschieden: Differenzierung, Geschwindigkeit und Disruption. Unter der Differenzierung wird im Allgemeinen ein differenzierender Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung für den Zielkunden verstanden. Unter Geschwindigkeit versteht man im Allgemeinen den Fokus auf die sogenannte „Time-to-Market“. Diverse Untersuchungen zeigen, dass eine kurze Time-to-Market – in Verbindung mit beschleunigten Kunden-Feedbacks und iterativen Lernzyklen im Sinne von Lean Start-up – in höheren Profitmargen resultieren. Letztendlich versteht man unter Disruption die Fähigkeit, vollkommen neue Märkte zu schaffen bzw. vollkommen neue Kundengruppen anzusprechen.

Es stellt sich somit die Frage, ob Blitzscaling und Fastscaling eine unterschiedliche Gewichtung auf die Innovationsparadigmen legen. Damit wäre eine situationsspezifische Auswahl der Methode möglich.

Im Fokus auf die Differenzierung unterscheiden sich Fastscaling und Blitzscaling aus unserer Sicht nicht wesentlich. Beide Methoden setzen an der Lean Start-up-Methode und damit am Product-Market-Fit auf.

Ein erster Unterschied zeigt sich aus unserer Sicht dann aber unter Bezug auf die Time-to-Market. Hier scheint das Fastscaling eher dem klassischen Managementdenken auf der Basis von Stage Gates verbunden. Es wird ausgehend von den verfügbaren Ressourcen in klassischen Stage Gates gedacht und geplant. Demgegenüber liegen dem Blitzscaling eher sogenannte Checkpoints zugrunde, die sukzessive und entsprechend dem Umsetzungsfortschritt definiert und angepasst werden.

Letztendlich gehen wir davon aus, dass im angestrebten bzw. erkannten Potenzial zur Disruption das eigentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Fast Scaling und Blitz Scaling liegt. Der Nutzeninnovation aus dem Lean Start-up wird im Blitz Scaling - im Vergleich zum Fastscaling - ein hohes und eventuell sogar disruptives Veränderungs- und Erfolgspotenzial zugeschrieben, welches auch die höhere Risikobereitschaft des Blitz Innovation rechtfertigt.

Bringt man diese Überlegungen ergänzend mit den bekannten Überlegungen zu den drei Innovationshorizonten in Verbindung, dann scheint das Blitzscaling sich insbesondere im Innovationshorizont Drei und das Fast Scaling sich insbesondere dem Innovationshorizont Zwei zuordnen zu lassen. Das Fast Scaling beschreibt dann einen iterativen ergebnisdefinierten Wachstumsprozess, während das Blitzscaling einen iterativen ergebnisoffenen Wachstumsprozess beschreibt.

Erfolgsfaktor Crossroad-Management - im Allgemeinen zu wenig beachtet

Diskutiert man heute mit Unternehmens- und Innovationsverantwortlichen, so fällt auf, dass sich die Mehrzahl der Unternehmen im innovationsorientierten Hyperwettbewerb um Chancenanteile auf das Classic Start-up Growth unter Nutzung von z.B. Lean Start-up oder auch Lean Design Thinking konzentrieren. Zusätzlich liegt ein Schwerpunkt auf das Classic Scale-up Growth im datenbasierten Hyperwettbewerb um Marktanteile. Das Crossroad-Management wird im Allgemeinen wenig oder nicht beachtet. Gerade das Crossroad-Management bietet bei einem entsprechenden Einsatz von Fastscaling und Blitzscaling aber Potenziale für einen zukünftigen Erfolg im digitalen Hyperwettbewerb.

Das Crossroad-Management ist aber nicht nur als aktives Angriffsinstrument im digitalen Hyperwettbewerb von Bedeutung. Vielmehr ist das Crossroad-Management auch als Verteidigungsinstrument bedeutsam, wenn ein Wettbewerber mit einem jungen Wachstumsunternehmen ("Venture") ein erfolgreiches Start-up Growth vorgelegt hat. Dann kann ein angegriffenes Unternehmen versuchen, durch ein Business Imitation Management (Eckert 2019) in Verbindung mit einem Crossroad-Management den Time-to-Market-Vorteil des Wettbewerbers zu reduzieren und auszugleichen.

Anmerkung: Beitrag erstmals veröffentlicht auf linkedin (https://www.linkedin.com/post/edit/6476745138772156416)

Vertiefende Literatur:

Churchill, N. C. und Lewis, V. L. (1983), The Five Stages of Small Business Growth, in: Harvard Business Review May-June (Reprint 83301).

Eckert, R. (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler.

Eckert, R. (2017), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler.

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle - Hybride Organisationsmodelle - Vernetzte Ökosystem, Springer Gabler.

Eckert, R. (2019), Business Imitation Management - Neun Beschleuniger zum kreativen Imitieren von disruptiven Geschäftsmodellen, Springer Gabler.

Hoffman, R. und Yeh, Chr. (2018), Blitzscaling, Crown Publishing Group.

 

Umfrage zu Ökosystemen - die Technologieperspektive reicht nicht aus

Zu Beginn des Jahres hat Accenture eine Befragung zum Thema Ökosysteme durchgeführt (vgl. Lyman et. al. 2018). Im Mittelpunkt der Auswertung stehen 1.252 Führungskräften von Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Konkret ging es um die Bedeutung von Ökosystemen und deren Bedeutung für das zukünftige Unternehmenswachstum. Diese Befragung ermöglicht aus unserer Sicht einige interessante ergänzende Schlussfolgerungen, die hier kurz dargestellt werden sollen.

Ökosysteme als „cornerstone of future growth“

Die Studie von Accenture zeigt, dass rund 60 Prozent der Führungskräfte im Aufbau von Ökosystemen die Möglichkeit sehen, die eigene Branche disruptiv anzugreifen. Gleichzeitig schreiben rund 76 Prozent der Führungskräfte Ökosystemen das Potential zu, die Unternehmenslandschaft maßgeblich verändern zu können. Hier betonen dann rund 63 Prozent der Führungskräfte, dass der technologische Plattform bei Aufbau eines Ökosystem eine besonderer Bedeutung zukommt. Trotz dieser Bedeutung setzen derzeit aber nur rund 46 Prozent der Führungskräfte aktiv die eigenen Erwartungen um und beschäftigen sich mit dem Aufbau entsprechender Ökosysteme. Dies scheint insbesondere darin begründet zu sein, dass die Führungskräfte ein Ausbalancieren des aktuellen Geschäftsmodells und des neuen Plattformgeschäftsmodells als extrem schwierig ansehen (rund 37 Prozent) und es an den notwendigen Kompetenzen zur Umsetzung weitgehend fehlt (rund 60 Prozent).

Aus unserer Sicht ist dieses Ergebnis nicht überraschend. Die technologische Perspektive wird richtigerweise als besonders wichtig und auch als problematisch angesehen. Gerade die Aussage zum Ausbalancieren von aktuellem und neuem Geschäftsmodell verweist jedoch aus unserer Sicht auf das wesentliche(re) Problem für etablierte Unternehmen, die ein Ökosystem aufbauen wollen.

Der Aufbau eines funktionieren Ökosystems benötigt ein koordinierendes Keystone-Unternehmen (vgl. Eckert 2018) mit einem spezifischen Geschäftsmodellkern (Business Model Prototype). Der Unterschied zwischen dem eigenen und bisherigen Geschäftsmodellkern und dem notwendigen Geschäftsmodellkern eines Keystone-Unternehmens bestimmt aber dann die notwendige Vorgehensweise beim Aufbau eines Ökosystems (vgl. Eckert 2018: 211ff., zum Geschäftsmodellkern/Business Model Prototype auch Eckert 2014, 2017).

Geschäftsmodellkern/Business Model Prototype am Beispiel eines klassischen Plattformunternehmens (Ebay)

Ebay kann als klassisches Keystone-Unternehmen angesehen werden, welches von Anfang an als technologischer Plattformbetreiber und Ökosystemkoordinator gegründet wurde. Aus diesem Grund besitzt eBay auch eine strategische Kunden-/Marktkompetenz als Kernelement des eigenen Geschäftsmodellkerns (Business Model Prototype). Unternehmen mit einer Kunden-/Marktkompetenz denken von klar definierten und abgegrenzten Kunden- bzw. Marktsegmenten aus. Ausgehend von den definierten Kunden- bzw. Marktsegmenten werden den Zielkunden Produkte – hier per Auktionsverfahren – angeboten. Mit dieser strategischen Kompetenz werden Unternehmen auch kontinuierlich nach neuen Möglichkeiten suchen, den identifizierten Kundengruppen immer wieder neue Produkte zur Verfügung stellen zu können. Um dies zu ermöglichen, ist eine permanente Market Research bzw. eine permanente daten- und technologiebasierte User Research von entscheidender Bedeutung. Zudem muss durch geeignete Maßnahmen auch eine hohe Kundenloyalität aufgebaut werden.

Genau das muss sich dann auch in der Geschäftslogik eines kunden- bzw. marktorientierten Unternehmens widerspiegeln. Um diese Geschäftslogik umzusetzen, nutzt eBay die bei der Gründung neuen technologischen Möglichkeiten des Internets und baute auf dieser technologischen Basis die entsprechende (Auktions-)Plattform bzw. eine klassische zweiseitige Marktplattform auf. Das Nutzenversprechen von eBay als Plattformbetreiber besteht darin, einen „Match“ zwischen Anbietern und Nachfragern herzustellen und die Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrage problemfrei zu gestalten. Um weiter erfolgreich zu bleiben, muss es auch eBay gelingen den „Traffic“ kontinuierlich zu erhöhen. Dies kann durch Erhöhung der Transaktionswerte pro Transaktion oder auch durch eine Zunahme der Transaktionszahlen (durch z.B. erhöhte Mitgliederzahlen) erfolgen. Zusätzlich müssen auch Maßnahmen zur Steigerung der Kundenloyalität ergriffen werden. Nur durch eine erhöhte Kundenloyalität auf Anbieter- und Nachfrager-Seite kann der Erfolg der Plattform abgesichert werden. Hierzu dienen dann u.a. auch Zusatz-Nutzen, den eBay anbietet, z.B. durch PayPal-Bezahlservice, Bewertungssysteme, etc. (vgl. Eckert 2018: 212).

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass der Erfolg von Ebay - jenseits des Technologiefokus - auf einem spezifischen Geschäftsmodellkern mit einer strategischen Kunden-/Marktkompetenz, entsprechenden strategischen Prozessen und einem unterstützenden Markenimage basiert. Dieses Geschäftsmodell wird durch ein technologiebasierte Plattform bzw. durch ein technologiebasiertes Plattformgeschäftsmodell als strategische Ressource unterstützt.

Den befragten Führungskräften ist somit zuzustimmen, dass das technologische Plattformgeschäftsmodell von grundlegender Bedeutung für den Aufbau eines Ökosystems ist. Wichtiger in unserem Verständnis ist aber der Aufbau eines kunden- und marktkompetenzorientierten Geschäftsmodellkerns (Business Model Prototype) und die kohärente Entwicklung der weiteren Elemente des Geschäftsmodellkerns und des weiteren Geschäftsmodells. In unseren Überlegungen sprechen wir hier dann von einem integrierten Geschäftsmodell aus einem kompetenzorientiertem Geschäftsmodell (Kunden- und Marktkompetenz) und einem technologieorientiertem Plattformgeschäftsmodell (im Sinne einer unterstützenden strategischen Ressource).

Aufbau eines Ökosystems durch ein klassisches Unternehmen

Nicht jedes Unternehmen hat den Vorteil als Keystone-Unternehmen mit einer strategischen Kunden-/Marktkompetenz und technologieorientiertem Plattformformgeschäftsmodell als strategische Ressource gegründet zu werden. Deshalb ist die Situation dann auch aus unserer Sicht komplexer.

Ein Unternehmen hat im Allgemeinen eine bestimmende strategische Kompetenz (z.B. Technologiekompetenz, Produktkompetenz) mit entsprechenden strategischen Prozessen mit hohen Reifegraden. Der Aufbau eines Ökosystems erfordert dann aber nicht nur ein entsprechendes technologisches Plattformgeschäftsmodell (als strategische Ressource), sondern den Aufbau eines Keystone-Unternehmens mit einer Kunden-/Marktkompetenz als Gestalter und Koordinator des Ökosystems und als Betreiber der Technologieplattform. Dies kann nun auf zwei Wegen erfolgen:

  • Zum einen ist es möglich eine separate Unternehmenseinheit zu etablieren, die einen entsprechenden Geschäftsmodellkern mit einer strategischen Kunden-/Marktkompetenz ausbildet und ein technologisches Plattformgeschäftsmodell als strategische Ressource entwickelt. Dies hat aber den Nachteil, dass bisheriges Kerngeschäft und das neue ökosystem-basierte Geschäftsmodell getrennt nebeneinander existieren. Dann entsteht genau das Problem des Ausbalancierens der beiden Geschäftsmodelle, welches in den Antworten der befragten Führungskräften teilweise auch als problematisch angesehen wurde.

  • Alternativ, aber auch anspruchsvoller, ist die Entwicklung eines integrierten und multiplen Geschäftsmodells, welches z.B. in einem umgekehrten Weg bei Amazon in den letzten Jahren entstanden ist. Hier wird die bisherige strategische Kompetenz innerhalb der bestehenden Geschäftslogik durch eine ergänzende strategische Kompetenz ergänzt. Bei Amazon bedeutete dies z.B., dass die strategische Verkaufskompetenz (Verkauf von Produkten) durch eine strategische Kunden-/Marktkompetenz (Betreiber eines Ökosystems) kohärent ergänzt wurde (vgl. Eckert 2018: 214 ff.). Die beiden Geschäftsmodellkerne stehen aber hier nicht getrennt nebeneinander, sondern ergänzen sich im Rahmen der weiterentwickelten Amazon-Geschäftslogik (weiterentwickeltes "Amazon-Wheel", vgl. Eckert 2018: 215) wechselseitig. Als Verbindungselement dient die technologische Plattform bzw. das technologische Plattformgeschäftsmodell (vgl. Eckert 2018: 212 ff.).

Beide Vorgehensweisen ist gemeinsam, dass die Gestaltung der Technologieplattform nur ein Problem beim Aufbau eines Ökosystems darstellt. Von größerer Bedeutung ist die Frage, wie das Keystone-Unternehmen als Koordinator des Ökosystems und als Betreiber der Plattform gestaltet werden muss. Hier geht es dann um die neue bzw. veränderte Vision der Zukunft, um eine weiterentwickelte oder neue Mission (heute auch Purpose) und um eine integrierte Gestaltung der Schnittstelle zwischen altem und neuem Geschäftsmodell auf der Grundlage einer weiterentwickelten Geschäftslogik.

Schlussfolgerung

Die kurzen Überlegungen sollten verdeutlichen, dass die technologische Plattform als Grundlage für ein Ökosystem notwendig ist. Die Fokussierung auf die Technologieplattform ist jedoch nicht ausreichend, um als Keystone-Unternehmen erfolgreich ein Ökosystem gestalten und betreiben zu können. Hier ist eine strategische Kunden-/Marktkompetenz notwendig und damit häufig eine umfassende Transformation im (vorhandenen und etablierten) Unternehmen notwendig, die anders gestaltet werden muss als die bekannten Ansätze der digitalen Transformation dies beschreiben. Entscheidend ist hier dann auch aus einer Managementsicht die Frage, ob das bestehende Geschäftsmodell nach dem Beispiel von Amazon als integriertes und multiples Geschäftsmodell weiterentwickelt werden soll. Alternativ ist es natürlich auch weiter möglich, das Geschäftsmodell von etablierten Unternehmen und Keystone-Unternehmen getrennt zu entwickeln. Hier bleiben Synergien und Geschäftspotenziale aufgrund sich verstärkender Geschäftslogiken dann aber weitgehend ungenutzt.


Literatur zur Vertiefung

Lyman, M., Ref, R. und Wright, O. (2018), Cornerstone of Future Growth. Ecosystems, o.O.

Eckert, R. (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2017), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovation und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme, Springer Gabler, Wiesbaden.

erstmals veröffentlicht auf Linkedin am 20.09.2018

Business Design Attack/Kill My Business Model

Die Business Design Attack-/Kill My Business Model-Methode eignet sich z.B. dazu, das eigene Geschäftsmodell in etablierten Unternehmen anzugreifen, um u.a. die Robustheit zu überprüfen, das Geschäftsmodell zu erneuern ode neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Phase 1: das aktuelle Geschäftsmodell verstehen

Die erste Phase (z.B. ein Tag) dient dazu, dass bestehende Geschäftsmodell zu verstehen. Hier macht es u.a. Sinn, zwischen dem Geschäftsmodellkern (Business Model Prototype) und dem erweiterten Business Model Prototype zu unterscheiden (für Details siehe auch Eckert, Business Model Prototyping, 2014 bzw. Business Innovation Management, 2017, beide Springer Gabler). Im Allgemeinen kann der Geschäftsmodellkern kurz-/mittelfristig nicht verändert werden. Mittel-/langfristig (situationsabhängig) ist eine Veränderung durchaus möglich.

Jeder Beteiligte (z.B interne Mitarbeiter, externe Entrepreneure, Growth Hacker), der neue Ideen zur Weiterentwicklung oder zur Erneuerung des Geschäftsmodell erarbeiten möchte, muss zunächst das aktuelle Geschäftsmodell des Unternehmens verstehen. Hier werden dann Entscheidungen und Entwicklungen aus der Vergangenheit zur Sprache gebracht und analysiert. Zudem wird dargestellt, welche Neuerungen in letzter Zeit positive oder auch negative Veränderungen erbracht haben.

Man kann in dieser Phase auch Unternehmen mit ähnlichen Geschäftsmodellen ansehen, um mögliche Anknüpfungspunkte zu finden.

Phase 2: Erste Lösungsansätze für neue Geschäftsmodelle erarbeiten

In dieser zweiten Phase (Tage abhängig von festgelegter Projektdauer) sollen die Prozessbeteiligten Lösungen für ein weiterentwickeltes und/oder erneuertes Geschäftsmodell erarbeiten. Dabei sollen den Beteiligten alle Freiheiten gegeben werden, um viele verschiedene Lösungsansätze für die in der ersten Phase festgestellten Probleme zu finden. Hier kann auch die Erarbeitung radikal neuer Geschäftsmodelle im Mittelpunkt stehen.

In dieser Phase sollen alle Teams die eigenen Ideen zu Papier bringen, Prototypen entwickeln, ... Anders als beim Brainstorming arbeiten die Teams ungestört und getrennt voneinander.

Am Ende der Phase sollen eine Vielzahl weiterenwickelter und neuer Geschäftsmodellprototypen und/oder Geschäftsmodelle vorliegen. Hier ist es wichtig, dass auch erste rudimentäre User-Stories herausgearbeitet wurden.

Phase 3: die Lösungsansätze beurteilen

In der dritten Phase werden die besten Geschäftsmodellansätze ermittelt. Bei der Beurteilung kann man z.B. die identfizierten Schwächen des aktuellen Geschäftsmodells als Kritierien heranziehen und/oder auch zukünftige Anforderungen.

Hier kommen die Entscheider des etablierten Unternehmens wieder ins Spiel. Es geht darum, welche Geschäftsmodellideen weiterverfolgt und auch durch Finanzmittel (z.B. Beteiligungskapital) unterstützt werden sollen.

Phase 4: aus den Lösungsansätzen Geschäftsmodelle umsetzen

In der vierten Phase werden die Geschäftsmodelle umgesetzt. Diese Umsetzung kann, muss aber nicht, in gemischten Teams mit internen Mitarbeitern des etablierten Unternehmens erfolgen. Es ist - insbesondere bei radikalen Geschäftsmodellen oder bei Geschäftsmodellen, die Potenzial zur Disruption haben - auch möglich, dass die Gewinner-Teams nur finanziell (z.B. Beteiligung) und selektiv fachlich unterstützt werden.

Damit baut sich das etablierte Unternehmen sukzessive ein Geschäftsmodellportfolio auf. Der Wettbewerb um Chancenanteile (siehe Blog) wird zunehmend auch ein Wettbewerb um Geschäftsmodelle sein.

Phase 5: mit den neuen Geschäftsmodellen experimentieren

In der fünften Phase wird das Geschäftsmodell in einer getrennten Einheiten am Markt weiter getestet und mit Hilfe ausgewählter Elemente des Lean Start-ups skaliert.

 

Gerne unterstütze ich Sie bei der Planung Ihres Business Design Attack. Sprechen Sie mich gerne an!

Die Auswahl der richtigen Innovationsmethoden in etablierten Unternehmen

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Im digitalen Hyperwettbewerb gewinnt der Wettbewerb um Chancenanteile zunehmend an Bedeutung (vgl. Eckert 2017). In diesem Zusammenhang kommt dann dem Erneuerungs-, dem Problemlösungs- und dem Innovationslernen eine besondere Bedeutung zu (vgl. Eckert 2018). Eine wesentliche Gemeinsamkeit der genannten Lernarten zeigt sich im experimentellen Vorgehen.

Allgemein können Experimente auf der Grundlage eines allgemeinen Lernzyklus beschrieben werden: Design – Build – Run – Analyze. Im Design werden neue Ideen und neue Konzepte entwickelt. Im Build werden die virtuellen Modelle oder Prototypen aufgebaut, die den anschließenden Experimenten zugrunde liegen. Im Run werden die Modelle oder Prototypen dann getestet. Im Analyze geht es um das Ziehen von Schlussfolgerungen und somit letztendlich um das Lernen aus dem Experiment (vgl. Eckert 2018).

Die zunehmende Bedeutung des experimentellen Lernens zeigt sich dann auch in einer Vielzahl von neuen Innovationsmethoden, die auf diesem experimentellen Lernen basieren: u.a. Lean Start-up, Lean Design Thinking, Rapid Design, Rapid Business Model Design/Attack (vgl. Eckert 2018). Der wesentliche Unterschied zwischen den Methoden zeigt sich dann darin, dass der Lernzyklus unterschiedlich häufig und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durchlaufen wird.

Während im Rapid Design und Rapid Business Model Design/Attack der Lern- bzw. Experimentierzyklus einmal innerhalb von wenigen Tagen durchlaufen wird, wird der Lernzyklus beim Lean Startup und auch beim Lean Design Thinking beliebig häufig wiederholt. Während beim Lean Startup der Lernzyklus insbesondere auf dem Product-Market-Fit liegt, setzt das Lernen im Lean Design Thinking einen besonderen Fokus sowohl auf den Problem-Solution-Fit als auch auf den Product-Market-Fit.

Gleichzeitig sind die Aufsatzpunkt für die Lernzyklen in den genannten Methoden unterschiedlich. Beim Rapid Design geht es um die Weiterentwicklung eines Produkts bzw. eines Produktelements in kurzer Zeit und damit um eine Nutzeninnovation. Beim Rapid Business Model Design/Attack geht es häufig nur um eine erste Verprobung von Ideen für multidimensionale Nutzen- und Geschäftsmodellinnovation. Beim Lean Startup und beim Lean Design Thinking sollen unterschiedliche radikale Nutzeninnovationen mit Geschäftsmodellinnovationen verbunden werden.

Während sich das Lean Startup als Innovationsmethode für junge Wachstumsunternehmen etabliert hat, ergeben sich für etablierte Unternehmen aus der Vielzahl der Methoden durch-aus Entscheidungsprobleme. So fällt es hier nicht immer leicht, auf die richtige Innovations-methode zu fokussieren oder auch zu entscheiden, mit welchen finanziellen und personellen Ressourcen ein Innovationsprojekt wie lange ausgestattet werden soll. Alle drei Fragen sind eng miteinander verbunden und können deshalb auch nur integriert beantwortet werden.

Der richtige Fokus und die richtige Methode können z.B. mit Hilfe einer Einschätzung von Innovationsattraktivität und des erwarteten relativen Entwicklungsaufwands abgeleitet werden. Bei dieser Einschätzung geht es weniger um eine harte Beurteilung, sondern um eine grobe Einschätzung der Entwicklungsaktivitäten im relativen Vergleich zueinander.

So können einige wenige Schlüsselfragen zur Beurteilung der Innovationsattraktivität schon weiterhelfen, z.B.: Gibt es einen konkreten „Job-to-be-done“? Steht anstelle eines Jobs-to-be-done eher eine langfristige „Vision of the Customers Future“ im Fokus? Geht es primär um eine Nutzeninnovation und/oder auch um die Veränderung ausgewählter Elemente des Geschäftsmodells?

Im Zusammenhang mit der Nähe zu den strategischen Kompetenzen können z.B. folgende Fragen bedeutsam sein: Geht es um eine inkrementelle Nutzeninnovation mit einem angestrebten „time-to-market“ (Produkte/Dienstleistungen) oder um multidimensionale Nutzen- und Geschäftsmodellinnovation mit einem offenen „time-to-completion“? Basieren die Innovationen auf den vorhandenen strategischen Kompetenzen?

Auf der Grundlage dieser und weiterer Fragen kann eine erste Eingliederung der geplanten Entwicklungsprojekte und eine Entscheidung über die richtige Methode vorgenommen werden. So scheint sich das Rapid Design insbesondere dann anzubieten, wenn es sich um eine hoch attraktive Produktidee (Nutzeninnovation) handelt, die auf bestehenden strategischen Kompetenzen aufbaut und innerhalb kurzes Zeit hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Marktrelevanz getestet werden soll. Klassische inkrementelle Innovationen können hingegen mit dem bekannten Methodenmix des Lean/Fast Innovation in einem Stage Gate-basierten Lernprozess vorangetrieben werden. Demgegenüber bietet sich das Lean Design Thinking insbesondere dann an, wenn identifizierte Problemlösungen in Verbindung mit einem modifizierten Geschäftsmodell im Fokus stehen. Das Rapid Business Model Design/Attack dient dazu, hoch attraktive und neue Geschäftsmodelle in einem kurzen Zeitfenster zu überprüfen.

Vor diesem Hintergrund können verschiedene Projekte (z.B. Projekte 1-4 in der Abbildung) in die Matrix eingeordnet werden und die sinnvolle Projektmethode bestimmt werden. So ist hier fiktiv z.B. für das Projekt 1 das Lean/Fast Innovation eine sinnvolle Methode, während man z.B. bei Projekt 4 eher das Lean Startup nutzen sollte. Bei Projekt 3 bietet es sich in Bezug auf die Ressourcen-schonung zunächst an, ein Rapid Design (Nutzeninnovation) oder ein Rapid Business Model Design/Attack einem möglichen Lean Design Thinking voranzustellen.

Es zeigt sich, dass die genannten Lern- bzw. Innovationsmethoden durchaus ihre Berechtigung haben, da diese Methoden verschiedene Schwerpunkte setzen. Gleichzeitig benötigen die genannten Methoden ein unterschiedlich hohes Investitionsbudget. Soll in einem etablierten Unternehmen (zunächst) nur ein geringes Investitionsbudget für attraktive Innovationsvorhaben zur Verfügung gestellt werden, bieten sich Rapid Design (Fokus Nutzen) oder Rapid Business Model Design/Attack (Fokus Geschäftsmodell) an. Hier werden in enger Interaktion mit dem (potenziellen) Kunden schnelle erste Lösungen erarbeitet, die die Grundlage für weitere Freigaben sein können. Beim Lean Startup und beim Lean Design Thinking handelt es sich um weitgehend ergebnisoffene Innovationsprozesse, die nach einer definierten Anzahl von Lernzyklen jeweils fortgesetzt bzw. abgebrochen werden können. Entscheidend wird hier sein, ob die definierte Sequenz an Lern- bzw. Innovationsiterationen das Unternehmen tatsächlich näher an einen Problem-Solution-Fit bzw. an einen Product-Market-Fit herangebracht haben. Das Lean/Fast Innovation ist aufgrund der Fokussierung auf inkrementelle Innovation ganz klassische anhand von definierten Gates (Stage Gate-/Fast Gate-Methode) plan- und finanzierbar.

Ergänzende Literatur:

Eckert, R. (2017), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme. Springer Gabler, Wiesbaden (voraussichtlicher Veröffentlichungstermin August 2018).

erstmals erschienen als Blog-Beitrag auf linkedin: https://www.linkedin.com/pulse/moderne-innovationsmethoden-etablierten-unternehmen-eckert/

Apple, Nokia, Fiat - das Ende der V-Kurve in der Restrukturierung

Unsere Untersuchungen im Zusammenhang mit dem digitalen Hyperwettbewerb haben u.a. folgende Erkenntnisse erbracht. So hat sich gezeigt, dass es für ein erfolgreiches Unternehmen in der Vergengenheit häufig ausreichend war, sich auf den klassischen Wettbewerb – den Wettbewerb um Marktanteile – zu konzentrieren. Hier hat sich das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet und durch entsprechende strategische Programme (z.B. Reorganisation, Restrukturierung) kontinuierlich versucht, diesen Wettbewerbsvorteil möglichst lange zu nutzen.

Die zunehmende Digitalisierung und die (Hyper-)Dynamisierung des Wettbewerbs haben nun aber zunehmend dazu geführt, dass die Nutzungsdauer eines Wettbewerbsvorteils immer kürzer wurde/wird. Deshalb geht es im digitalen Hyperwettbewerb nun auch nicht mehr nur um den Erhalt von Wettbewerbsvorteilen im Wettbewerb um Marktanteile, sondern um eine (pro-)aktive Gestaltung von Zukunftsoptionen und um einem zunehmend dynamischen Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Es geht zunehmend um einen Wettbewerb um Chancenanteile.

Zudem zeigt sich, dass sich ein erfolgreiches Unternehmen im digitalen Hyperwettbewerb durch eine eigendynamische/(positiv) abweichungsverstärkende Geschäftslogik auszeichnet. So zeigen z.B. das bekannte „AMAZON Wheel“ eine sich selbstverstärkende Geschäftslogik, die durch geeignete Managementmaßnahmen weiter verstärkt wurde und wird. Ähnliche Beispiele finden sich u.a. bei UBER oder auch SOUTHWEST AIRLINES. Diese Veränderungen haben aus unserer Sicht auch Auswirkungen auf ein zukünftig erfolgreiches Restrukturierungsmanagement, welches von der klassischen V-Kurve abweichen muss.

In der klassischen Restrukturierung – dargestellt durch die bekannte V-Kurve – geht es zunächst insbesondere um eine Verbesserung im Wettbewerb um Marktanteile. Dabei stehen im Rahmen einer Krisenstabilisierung zunächst die Maßnahmen im Mittelpunkt, die kurzfristig notwendig sind, um das Überleben zu sichern. Hier geht es dann um Liquiditätssicherung, um schnelle Kostensenkungsmaßnahmen und um die Beseitigung von Verlustbringern auf Produkt- und Geschäftsbereichsebene. Nach dieser aktiven Sicherung des Überlebens gewinnt die zukünftige strategische Neuausrichtung auf – insbesondere bereits vorhandene – profitable Produkt- und Marktsegmente an Bedeutung. Das Unternehmen muss sich auf die Produkte und auf die Produktmärkte konzentrieren, in denen die zukünftigen Erfolgs- und Gewinnaussichten vergleichsweise gut sind.

Dennoch hat sich in den letzten Jahren zunehmend gezeigt, dass zunächst (scheinbar) erfolgreiche Restrukturierungsprojekte nicht nachhaltig erfolgreich waren. Dafür kann es durchaus Begründungen geben. So kann dies z.B. daran liegen, dass das entsprechende Restrukturierungsprogramm nicht mit der erforderlichen Konsequenz im Unternehmen umgesetzt wurde. Es kann auch sein, dass die Restrukturierung bei den ersten Zeichen der wirtschaftlichen Erholung und noch vor einer erfolgreichen strategischen Neuausrichtung beendet wurde.

Aus unserer Sicht liegt ein weiterer wesentlicher Grund aber auch darin, dass in der klassischen V-Kurve der Wettbewerb um Chancenanteile weitgehend vernachlässigt wird. Das Denken in der V-Kurve scheint im digitalen Hyperwettbewerb deshalb wenig erfolgsversprechend. Aus unserer Sicht muss das Vorgehen in der V-Kurve durch ein „Restructuring Wheel“ ersetzt werden, bei dem der Wettbewerb um Markt- und der Wettbewerb um Chancenanteile gleichwertig berücksichtigt werden.

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Aus dem „Restructuring Wheel“ ergibt sich anders als bei der V-Kurve ein Restrukturierungsvorgehen, welches die Schwerpunkte situationsangepasst und zielgerichtet auf den Markt- und den Chancenanteilswettbewerb legt. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Aufsatzpunkt situationsspezifisch erfolgen kann – sofern das Krisenunternehmen noch ausreichende Ressourcen und ausreichendes Vertrauen besitzt.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund einige bekannte Restrukturierungsfälle der letzten Jahrzehnte, dann können durchaus einige Praxisbeispiele identifiziert werden, die das Erfolgspotenzial des „Restructuring Wheels“ verdeutlichen:

  • Im Jahr 1997 stand APPLE kurz vor der Insolvenz. So hielt Gene Glazer, Technikanalyst bei Dean Witter damals fest, dass „zwar noch nicht die Nägel in Apples Sarg geschlagen“ wären, doch „der Sargdeckel schließt sich“. Hier war somit eine sofortige und umfassende Steigerung der operativen Exzellenz überlebensnotwendig, um den Marktanteil zu stabilisieren. Danach erfolgte aber ein Feuerwerk von Nutzeninnovationen, der Ergänzung der strategischen Fähigkeiten durch Allianzen bis hin zur radikalen Überarbeit des Geschäftsmodells in Richtung Plattformgeschäftsmodell.
     
  • Eine ähnliche Situation zeigt sich auch bei FIAT unter anderen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Auch hier zeigt sich zunächst ein Fokus auf die operative Exzellenz indem Kosten massiv gesenkt wurden. Gleichzeitig wurde eine Produkt-Plattformstrategie umgesetzt und eine neue strategische Positionierung vorgenommen. Durch Kooperationen wurden letztlich die eigenen strategischen Fähigkeiten zielorientiert ergänzt.
     
  • Eine ähnliche Vorgehensweise zeigt sich letztendlich auch bei der Restrukturierung von NOKIA. Das Unternehmen kam in die Krise, da es zum einen den Technologiesprung zum Smartphone verpasst hatte. Zum anderen hatte NOKIA aber auch nicht erkannt, dass der Produktwettbewerb zunehmend zu einem Plattformwettbewerb wurde. Hier begann die Restrukturierung mit einer strategischen Neupositionierung, die Handysparte wurde an Microsoft verkauft. Heute ist NOKIA ein Netzwerkausrüster mit neuen strategischen Fähigkeiten. Aufgrund der angespannten Wettbewerbssituation folgte hieraus ein Kostensenkungsprogramm, welches durch einen neuen Nutzenfokus (z.B. vernetzte Gesundheitsprodukte, Pulsmesser mit Schlafprotokollfunktion) ergänzt und weiterentwickelt wurde.

Zusammenfassend gilt aus unserer Sicht, dass eine Unternehmenskrise im digitalen Hyperwettbewerb nicht mehr durch das "einfache" Abarbeiten der V-Kurve nachhaltig beseitigt werden kann. Hier liegt das wesentliche Problem darin, das die klassischen V-Kurve den Wettbewerb um Chancenanteile vernachlässigt. Das ändert sich auch nicht, wenn man eine strategische Neuausrichtung den Kostensenkungsmaßnahmen voranstellt.

Stattdessen muss das Vorgehen in der Restrukturierung eines Unternehmens im digitalen Hyperwettbewerb dem Vorgehenskonzept des Restructuring Wheel folgen, bei dem die Maßnahmen für den Wettbewerb um Marktanteile als auch für den Wettbewerb um Chancenanteile wirkungsverstärkend miteinander verbunden sind.

Es muss somit gelingen, dass die einzelnen Bausteine der Restrukturierung im Markt- und Chancenanteilswettbewerb aufeinander aufbauen und einen eigendynamischen und abweichungsverstärkenden Zirkel miteinander bilden.

Veröffentlicht auf linkedin.com

Rezension von Peter Felixberger, Geschäftsführer des Murmann Verlags und seit 20 Jahren Rezensent für Wirtschaftsbücher zu meinem Buch „Business Innovation Management“

Innovationen sind das Salz in der Suppe aller Unternehmen. Früher wie heute. Die Bouillon allerdings so zu würzen, dass sie dem Kunden schmeckt, ist kein aktueller Budenzauber, sondern der ewig junge Urgedanke erfolgreicher Suppen- und Produktentwicklung. Kein Wunder also, dass derzeit neben unendlichen Kochshows und Rezeptratgebern auch eine inflationäre Rallye an Innovationsartisten zu finden ist, die nimmermüde an die Einfachheit der perfekten Lösung appellieren und diese versprechen. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen, ist nicht einfach. Zu viele Aufschneider, Übertreiber, Ablenker und Flachsinner sind unterwegs. Wir begeben uns deshalb auf die Suche nach wirklich überzeugenden Büchern und Autoren

Zu meinem Buch heisst es dann weiter:

„Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb.“

Zu guter Letzt wollen wir noch kurz auf Roland Eckert hinweisen, Professor für Finanzen und Entrepreneurship in Düsseldorf. Ihm ist es gelungen, die heterogenen Theorie- und Begriffswelten rund um die neuen digitalen Geschäftsmodelle zu ordnen und in eine wissenschaftlich konsistente Übersicht zu stellen (Roland Eckert: Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. Springer Gabler, Wiesbaden 2017). Wer also tiefgründiger verstehen will, warum der klassische Blick auf die eigene Branche und die Marktanteile nicht mehr ausreicht, findet hier neue übergreifende Sichtachsen und Begriffe. Der Chancenanteilswettbewerb von morgen, wie ihn Eckert nennt, ist nämlich längst ein Wettlauf um die Zukunft geworden. Unternehmen werden zu Business Innovation Factorys, die ständig um das Prototyping der eigenen Geschäftsmodelle kreisen. Die eindimensionale Innovation in abgegrenzten Wettbewerbsfeldern spielt dabei nicht mehr die zentrale Rolle. Marktanteile sind Schall und Rauch. Innovative Unternehmen von morgen vernetzen sich mit globalen Möglichkeitsräumen. Immer und überall. Die alte Welt stirbt.

Peter Felixberger rezensiert seit über 20 Jahren Wirtschaftsbücher. Er ist außerdem Programmgeschäftsführer des Murmann Verlags und Herausgeber des Kursbuchs.

Zu finden auf: https://murmann-magazin.de/innovation/2017/10/die-besten-innovationsbuecher-auf-einen-blick/

#Digitalisierung #Disruption #Innovationsbücher #Hyperwettbewerb

Organisationsstrukturen für nachhaltig profitables Wachstum im digitalen Hyperwettbewerb

Vorbemerkung zum gemeinsamen Verständnis: In meinen Überlegungen unterscheide ich zwischen einem Wettbewerb um Chancenanteile (=Wettbewerb um die Zukunft) und einem Wettbewerb um Marktanteile (=Wettbewerb um die Gegenwart) (vgl. Eckert 2016, 2017a). Gleichzeitig setzt der vorliegende Beitrag auf den Überlegungen von Larry Greiner (Reprint 1998) auf, der festhielt, dass die strukturelle Gestaltung der Organisationsbereiche in einem Unternehmen den spezifischen Reifegrad der jeweiligen Organisationsbereiche berücksichtigen muss. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass es in einem Unternehmen gleichzeitig Netzwerkstrukturen (Heterarchien), hierarchische Strukturen und auch hybride Mischformen geben kann (vgl. kurz auch Eckert 2017b).

Vorhersehbare Veränderungen und die Notwendigkeit zur Flexibilität sind bezeichnend für die Vergangenheit

Unternehmen sind im Allgemein bestrebt langfristig erfolgreich zu sein und profitabel zu wachsen. Im Streben nach profitablem Wachstum haben sich Unternehmen in der Vergangenheit insbesondere auf den genannten Wettbewerb um die Gegenwart - dem Wettbewerb um Marktanteile - konzentriert. Hier ging es dann insbesondere um Effizienz und Effektivität. Gleichzeitig hat das Management versucht, Markt- und Wettbewerbsveränderungen durch z.B. den Einsatz der Szenariotechnik vorherzusehen. Um auf diese vorhersehbaren Veränderungen flexibel - eine dritte organisatorische Anforderung neben Effizienz und Effektivität - reagieren zu können, haben erfolgreiche Unternehmen ausgewählte organisatorische Maßnahmen ergriffen.

So wurden z.B. innovative Einheiten von den effizienten Einheiten im Rahmen von Parallelorganisationen räumlich getrennt. Dieses Vorgehen fand sich u.a. bei Ericsson, Bayer, Bosch, P&G. Häufig haben sich Unternehmen in der Vergangenheit auch regelmäßig und ganzheitlich zwischen einer mehr zentralen (effizienten) und dezentralen organisatorischen Ausrichtung hin und her bewegt. Beispiele hierfür waren/sind u.a. ThyssenKrupp, Siemens, Nokia oder auch Sony. Andere Unternehmen haben in der Vergangenheit begonnen, integrierte Matrixorganisationen aufzusetzen, die Effizienz- und Innovationseinheiten (z.B. Siemens, Hilti, Deutsche Bank) miteinander verbanden (vgl. Gomez et. al. 2007: 110ff.).

Unvorhersehbare Veränderungen und der Zwang zur Agilität sind (häufig) bestimmend für die Zukunft

Im digitalen Hyperwettbewerb reicht ein primärer Fokus auf vorhersehbare Veränderungen und damit auf den Wettbewerb um die Gegenwart nicht mehr aus. Aufgrund der abnehmenden Nutzungsdauer von Wettbewerbsvorteilen muss sich das Unternehmensmanagement stärker auf den Management um Chancenanteile konzentrieren. Zusätzlich gilt, dass die Phase des Crossroads – der Übergang zwischen dem Chancen- und dem Marktanteilswettbewerb – zunehmend kürzer wird (vgl. Eckert 2017a, 2018). Es zeigt sich, dass bei zunehmend unvorhersehbaren Veränderungen auch zunehmend wenig Zeit zur agilen Aktion bzw. Reaktion zur Verfügung stehen.

Moderne Organisationsstrukturen für den Hyperwettbewerb um Marktanteile

Dies hat dann aber deutliche Auswirkungen auf die Gestaltung von Organisationsstrukturen im digitalen Hyperwettbewerb. So zeigen unsere Untersuchungen, dass die Trennung zwischen effizienten und flexiblen (besser nun: agilen) Organisationseinheiten nicht mehr klassisch zwischen der Organisation für den Markt- und dem Chancenanteilswettbewerb verläuft. Vielmehr muss auch die klassische Organisation für den Wettbewerb um die Gegenwart effizient und agil sein. Dies kann z.B. durch die Ausgestaltung von hierarchischen Heterarchien und auch durch die Ausgestaltung von hierarchischen Heterarchien geschehen.

In der hierarchischen Heterarchie stellt das Netzwerk die Primärorganisation dar, aus der sich bei identifizierten (und eindeutigen) Problemen hierarchische Sekundärorganisationen zur Lösung der identifizierte Probleme auf der Basis von - in unserem Verständnis - weitgehend bekannten Problemlösungshypothesen ausbilden. Diese organisatorische Konfiguration findet sich z.B. zunehmend im Zusammenhang mit der organisatorischen Umsetzung von Industrie 4.0-Konzepten in Unternehmen. Deutlich wird dies Entwicklung z.B. durch die Wiederkehr des Begriffs der "fraktalen Organisation" im Kontext der Industrie 4.0 (vgl. z.B. Interview mit Prof. Dr.-Ing. Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA im maschinenmarkt 21.05.2015).

In der heterarchischen Hierarchie bilden sich hingegen aus einer hierarchischen Primärorganisation agile Netzwerke zur Lösung von identifizierten Problemen heraus, für die aus unserer Sicht noch eine Mehrzahl von Problemlösungshypothesen identifiziert werden können. Die Grundidee dieses Organisationsmodells ist dann, den Mitarbeitern die Freiheiten zu geben, die situativ richtigen Problemlösungen selbst zu initiieren und umzusetzen. Dieser Gedanke stimmt dann durchaus mit den Überlegungen von Kotter zu den „zwei Betriebssystemen“ überein und findet seine Anwendung z.B. in ausgewählten Organisationsbereichen bei Vodafone. 

Weiter gehen die notwendigen organisatorischen Umbaumaßnahmen beim sogenannten Spotify-Organisationsmodell für den Marktanteilswettbewerb, das z.B. teilweise bei ING Umsetzung findet. Unsere Analysen zeigen, dass in diesem Organisationsmodell der Fokus insbesondere auf den strategischen Kompetenzbereichen (bei ING z.B. Produktentwicklung, Vertrieb) liegt. Die organisatorische Veränderung fokussiert somit auf die strategischen Kompetenzbereiche. Aus den neu strukturierten hierarchischen strategischen Kompetenzbereichen werden problemlösungsorientierte Netzwerke als Sekundärorganisationen ausgebildet.

Es zeigt sich somit, dass hybride Organisationsmodelle für den digitalen Hyperwettbewerb um Marktanteile zunehmend an Bedeutung gewinnen. Damit zeigt sich aber, dass die bekannte Ambidextrie - die Trennung zwischen flexiblen/agilen und effizienten Organisationseinheiten - zunehmend bereits innerhalb der Organisation für den Marktanteilswettbewerb und nicht mehr nur zwischen den Organisationen des Chancenanteils- und Marktanteilswettbewerbs entsteht.

Moderne Organisationsstrukturen für den Hyperwettbewerb um Chancenanteile

Gleichzeitig muss jedoch auch die Organisation für den Wettbewerb um Chancenanteile im digitalen Hyperwettbewerb weiterentwickelt werden: Die zunehmende Bedeutung des Wettbewerbs um Chancenanteile bei einer notwendigen gleichzeitigen Verkürzung der Dauer des Crossroads führt jedoch dazu, dass ein neues Innovationsparadigma das Denken in Optionen (vgl. Eckert 2017c, 2018) – notwendig wird. Gleichzeitig macht es das Denken in Optionen aber auch notwendig, die zukünftige Gestaltung der Organisation(en) für den Hyperwettbewerb um Chancenanteile pro-aktiv zu überdenken. Vor diesem Hintergrund müssen die bekannte und die modernen Organisationsformen für diesen Wettbewerb um Chancenanteile - der klassische Entwicklungsbereich, die Digitalfabrik, die Innovationsfabrik oder auch die Schwarmorganisation – neu betrachtet und eingeordnet werden. Als gedankliches Raster können hierbei die drei Innovationshorizonte zugrunde gelegt werden.

Im Wettbewerb um Chancenanteile können drei Innovationshorizonte unterschieden werden, an denen die Innovationsaktivitäten eines Unternehmens inhaltlich und organisatorisch ausgerichtet werden müssen (vgl. Eckert 2018).

Im ersten Innovationshorizont steht das sogenannte eindimensionale Erneuerungslernen im Mittelpunkt. Hier geht es um sogenannte „Auftragsexperimente“ bei denen das Problem bekannt und bekannte Problemlösungshypothesen und bekannte Problemlösungsroutinen existieren. Je nach inhaltlicher Ausrichtung erfolgt die Umsetzung des Erneuerungslernens im klassischen Entwicklungsbereichen oder in neuen Digitalfabriken.

Im zweiten Innovationshorizont geht es um ein multidimensionales Problemlösungslernen im Rahmen von Projektexperimenten. Im Problemlösungslernen steht die Lösung von konkreten Problemen im Mittelpunkt, für die noch keine hinreichenden Problemlösungshypothesen existieren. Hier bestehen somit die Möglichkeit und/oder die Notwendigkeit, die bestehenden Routinen kritisch zu hinterfragen und auch in Frage zu stellen. Hier erfolgt die organisatorische Umsetzung in Innovationsfabriken.

Im dritten Innovationshorizont geht es um ein multidimensionales Innovationslernen durch Innovationsexperimente. Hier sollen neue Ideen durch multidimensionale Nutzen- und Geschäftsmodellinnovationen außerhalb der bisher geltenden Geschäftslogik erarbeitet werden. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zum Problemlösungslernen nicht nur die eigenen Lernroutinen, sondern die aktuelle Wissensbasis (z.B. strategische Kompetenzen) eines Unternehmens radikal in Frage gestellt wird. Im Gegensatz zum Problemlösungslernen geht es hier nicht um die Lösung eines genau definierbaren Problems, sondern um die Veränderung der bisherigen Spielregel, die Auflösung von Branchengrenzen und um die strategische Überlegenheit (vgl. Eckert 2014). Für die Umsetzung des Innovationslernens im Unternehmen bietet sich u.a. die Schwarmorganisation (vgl. Eckert 2017d).

Die kurzen Ausführungen haben gezeigt, dass sich Ambidextrie nicht mehr nur zwischen den innovativen und effizienten Organisationsbereichen existiert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass mit der zunehmenden Digitalisierung des Hyperwettbewerbs Ambidextrie zunehmend auch innerhalb verschiedener Organisationsbereiche des Wettbewerbs um Marktanteile bestimmend sein wird. Gleichzeitig muss die Ausgestaltung der Organisationsbereiche für den Wettbewerb um Chancenanteile zukünftig viel stärker an den Innovationshorizonten und damit an den experimentellen Innovations- bzw. Lernzielen ausgerichtet werden.

Ergänzende/Vertiefende Literatur:

Eckert, R. (2016), Wettbewerb um Chancenanteile vs. Wettbewerb um Marktanteile, zu finden auf: http://www.hyperwettbewerb.com/new-blog/2016/7/26/wettbewerb-um-markt-und-chancenanteile

Eckert, R. (2017a), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2017b), Wie gestaltet man zukunftsfähige Organisationsstrukturen, in Roehl, H. und Asselmeyer, H. (Hrsg.), S. 148-154.

Eckert, R. (2017c), Denken in Optionen – das vierte Innovationsparadigma im digitalen Hyperwettbewerb, zu finden auf: http://www.hyperwettbewerb.com/new-blog/2017/2/18/das-vierte-innovationsparadigma.

Eckert, R. (2017d), Warum Daimler auf die Schwarm-Organisation setzt, zu finden auf: http://www.hyperwettbewerb.com/new-blog/2017/2/18/warum-daimler-auf-die-schwarm-organisation-setzt

Eckert, R. (2018), Intelligente Echtzeitunternehmen im digitalen Hyperwettbewerb. Multiple Geschäftsmodelle – Hybride Organisationsmodelle – Vernetzte Ökosysteme, Springer Gabler 2018, Wiesbaden (Buch derzeit in der Verlagsproduktion, voraussichtliches Erscheinen Mitte 2018 geplant).

Greiner, L. E. (1998), “Evolution and Revolution as Organizations Grow”, in: Harvard Business Review, May-June 1998 (Reprint), S. 1-11.

Gomez, P., Probst, G. und Raisch, S. (2007), Strukturen für nachhaltig profitables Wachstum, in: Raisch, S. et. al. (2007), S. 110-123.

Kotter, J. P. (2012), Die Kraft der zwei Systeme, in: Harvard Business Manager, Dezember 2012, S. 22-36.

McKinsey Quarterly, ING’s agile transformation. Two senior executives from the Dutch bank describe their recent journey, January 2017, S. 1-10.

Raisch, S., Probst, G. und Gomez, P. (2007), Wege zum Wachstum. Wie Sie nachhaltigen Unternehmenserfolg erzielen, Gabler, Wiesbaden.

Roehl, H. und Asselmeyer, H. (Hrsg.) (2017), Organisationen klug gestalten. Das Handbuch für Organisationsentwicklung und Change Management, Schaeffer-Poeschel, Stuttgart.

Digitale Transformation bei BMW und Daimler

Wer hat den Stein der Weisen gefunden? BMW oder Daimler? Während der bayerische Autobauer bei der digitalen Transformation auf Multi-Projekt-management setzt, treiben die Stuttgarter die Schwarm-Organisation voran.

Daimler-Chef Zetsche hat im letzten Jahr in der FAZ (FAZ 7.9.2016) angekündigt, „rund 20 Prozent der Mitarbeiter auf eine Schwarm-Organisation“ umstellen zu wollen. „Dabei sollen Mitarbeiter, die nicht in strikte Hierarchien eingebunden sind, für bestimmte Themen verknüpft werden“. Ziel ist es, dass Daimler, zumindest in Teilen wie ein Start-up-Unternehmen agiert (siehe auch den Beitrag des Autors "Warum Daimler auf die Schwarm-Organisation setzt").

Inzwischen hat auch BMW (Computerwoche 9.3.2017) in einem ähnlichen Zusammenhang festgehalten, sich zukünftig von „den starren Hierarchien zu lösen“ und ein „sehr liquides Multiprojekt-Management“ zu entwickeln, um ein schnelles, agiles und integriertes Arbeiten zu realisieren. Dabei wird dann festgelegt, welche Kompetenzen ein Projekt benötigt, und welche Fachbereiche betroffen sind.

Neuer Fokus im digitalen Hyperwettbewerb: Multidimensionale Innovationen

Im modernen Innovationswettbewerb wird es zunehmend um multidimensionale Innovationen gehen (vgl. Eckert 2016). Unter multidimensionalen Innovationen versteht man eine integrierte Innovationstätigkeit, bei der mehrere Innovationstypen - z.B. Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen - gleichzeitig vorangetrieben werden müssen. Der multidimensionale Innovationswettbewerb stellt jedoch neue organisatorische Anforderungen an Unternehmen.

Die Erarbeitung von multidimensionalen Innovationen setzt interdisziplinäre Teams außerhalb der klassischen Entwicklungsbereiche und außerhalb der bekannten Hierarchien voraus. Erfolgsentscheidend ist dann aber auch, dass diese Teams „horizontal interkompatibel“ sind (vgl. Eckert 2016a). Horizontale Interkompatibilität entsteht aus einem kontinuierlichen Informationsaustausch in Echtzeit. Gleichzeitig muss jedoch auch eine abgestimmte und gemeinsame Sichtweise zwischen diesen dezentralen und häufig selbst-organisierten Teams geschaffen werden Damit geht es aber um mehr als Informationsaustausch; es geht insbesondere auch um eine (Selbst-)Synchronisationen zwischen den Teams.

Agiles (Multi-)Projektmanagement vs. Schwarm-Organisation

Allgemein ist ein (Einzel-)Projekt eine singuläre, komplexe und zeitlich begrenzte Aufgabe. Durch ein Multi-Projektmanagement soll eine übergreifende Planung, Überwachung, Koordination und Steuerung von mehreren Projekten erfolgen, die einem gemeinsamen Ziel – hier ist das die Digitalisierung bei BMW – dienen. Auf diese Weise entsteht ein funktions- und bereichsübergreifendes gemeinsames Verständnis im Sinne der horizontalen Interkomparabilität in und zwischen den Projektteams. Gleichzeitig nimmt die Transparenz zu. Durch das übergeordnete (Multi-)Projektmanagement soll gleichzeitig die Synchronsation zwischen den verschiedenen Projektteams sichergestellt werden. Die Ziele werden (übergeordnet) definiert; die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung erfolgt selbstorganisiert durch die Teams im definierten Rahmen.

Auch eine Schwarm-Organisation soll die horizontale Interkomparabilität erhöhen. Auch hier geht es dann um Selbstorganisation, höhere Handlungskompetenz, mehr Freiheitsgrade sowie höhere Flexibilität für die Mitglieder des Schwarms. Die Mitarbeiter und Teams sind hier aber mehr Intrapreneure im Unternehmen anzusehen, im Vergleich zu einem Projektmitarbeiter. Zielsetzung sind hier dann weniger nur das Lösen von definierten Aufgaben mit Hilfe von agilen Methoden, sondern vielmehr das Entdecken von neuen (Markt-)Potenzialen mit Hilfe von multidimensionalen Innovationen. Das Ziel darf hier somit noch nicht (final) definiert und festgelegt sein, der "Bewegungsrahmen" (der "strategic intent", z.B. Mobilität) der Schwarm-Mitarbeiter scheint somit weiter gefasst und offener zu sein.

In einem Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass die horizontale Interkomparabilität in einem Unternehmen im multidimensionalen Innovationswettbewerb deutlich gesteigert werden muss. Hierzu können sowohl ein agiles Multi-Projektmanagement, als auch eine Schwarm-Organisation beitragen. Die Schwarm-Organisation scheint jedoch eine radikale(re) Neudefinition von Aufgaben und Inhalten zu benötigen und auch zu ermöglichen.

Wie Alibaba die horizontale Interkomparabilität im digitalen Wettbewerb steigert

Alibaba hat vorgemacht, wie es gehen kann: Bei Alibaba bilden sich aus der Organisation regelmäßig und selbstorganisiert kleine Start-up-Einheiten heraus, mit denen neue Marktmöglichkeiten getestet werden. Diese kleinen Start-up-Einheiten entstehen aus den (selbst-organisierten) Initiativen von Mitarbeitern und Teams. Die Mitarbeiter sind aus den bekannten Hierarchien ausgegliedert, um eigenständig neue Ideen aufgreifen und vorantreiben zu können. Dies kann durchaus mit den Überlegungen zur Schwarm-Organisation in Verbindung gebracht werden.

Bei Alibaba hat das Konzept dazu geführt, dass das Unternehmen unter Nutzung multidimensionaler Innovationen in selbst-organisierten Innovationsteams die anfangs vorhandene E-Commerce-Plattform für kleine Export-Unternehmen um u.a. eine Online-Shopping-Plattform, einen Online-B2C-Marktpatz und weitere Einheiten kontinuierlich erweitert hat.

Während das Initiieren und Aufgreifen von neuen Ideen eher mit der Schwarm-Organisation in Verbindung gebracht werden kann, muss die konkrete Umsetzung dagegen zunehmend auf die Methoden des agilen Projektmanagements setzen. Die Marktmöglichkeiten bzw. die Projektziele sind bereits in Sicht. Nun geht es um eine strukturierte Umsetzung der Potenziale in horizontal vernetzten Teams innerhalb und außerhalb der Organisation.

Zusammenfassend gilt damit: Die Steigerung der horizontalen Interkomparabilität wird in den Unternehmen immer mehr zur Notwendigkeit. Legt man den Schwerpunkt auf ein interdisziplinäres Experimentieren mit dem Ziel, neue Geschäftsmodelle im Rahmen von multidimensionalen Innovationen aus der eigenen Organisation, und unter Nutzung aller möglichen internen und externen Kompetenzen zu entwickeln, dann wird man um eine Diskussion der Schwarm-Organisation (und ähnlicher Organisationskonzepte) nicht herumkommen. In der konkreten Umsetzung wird man anschließend die Erkenntnise aus den agilen (Multi-)Projektmethoden sinnvoll nutzen können. Das bedeutet dann aber nicht Schwarm-Organisation vs. agiles (Multi-)Projektmanagement, sondern eine integrierte Nutzung von beiden Konzepten.

 

Weitere Literaturempfehlungen

Eckert, R. (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden

Eckert, R. (2016a), Wie gestaltet man zukunftsfähige Organisationsstrukturen, in Roehl, H. und Asselmeyer, H., Organisationen klug gestalten - Kompetenzen für eine komplexe Welt, Schaeffer-Poeschel, Stuttgart.

Hinweis: Dieser Artikel ist in ähnlicher Form auch auf Springer Professional erschienen. Siehe hierzu auch https://www.springerprofessional.de/projektmanagement/agile-methoden/digitalisierungsstrategien-bei-bmw-und-daimler/12265936

Corporate Venturing muss sich auf den Chancenanteilswettbewerb ausrichten

Corporate Venture Capital (CVC) gewinnt wieder zunehmend an Bedeutung. BMW, e.on und andere Unternehmen investieren wieder stärker in junge Wachstumsunternehmen. Dabei sehen sich die Beteiligungsgesellschaften von Konzernen häufig als strategische Investoren. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass sich die Beteiligungsgesellschaften von Konzernen in der Realität dann häufig doch wie klassische Venture Capitalisten (VC) verhalten, und insbesondere die finanzielle Rendite in den Mittelpunkt stellen.

Untersuchungen (z.B. HBR 2017) zeigen, dass offenbar auch bei den Beteiligungs-gesellschaften von Konzernen die Renditeerwartungen der Zielunternehmen im Mittelpunkt stehen. Das ist nicht verwunderlich, da in etablierten Unternehmen eben der klassische Wettbewerb um Marktanteile im Mittelpunkt der Management-aufmerksamkeit steht. Im Marktanteilswettbewerb kommt der Rendite als Gradmesser des Erfolgs jedoch eine besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig muss man aber auch festhalten, dass ein Renditefokus – in Abhängigkeit von dessen Ausprägung – das Vorgehen bei der Auswahl von Zielunternehmen maßgeblich beeinflusst. So muss sich ein renditeorientiertes (klassisches) VC-Unternehmen mehr Gedanken über einen möglichen (Unternehmens-)Wert beim Exit machen. Ein strategie-orientiertes CVC-Unternehmen muss hingegen mehr Wert auf die Identifizierung des strategisch richtigen Zielunternehmens legen. Insbesondere im Corporate Venture Capital kann eine zu starke bzw. eine bestimmende Renditeorientierung somit durchaus problematisch sein.

Innovationswettlauf um Chancenanteile

Betrachtet man diverse Untersuchungen, so scheinen die bekannten US-Konzerne Google, Amazon oder auch Apple eine Blaupause für den CVC-Bereich zu liefern. So hat sich z.B. Google in den letzten Jahren an mehr als 200 Unternehmen beteiligt. Darunter fallen u.a. der Internetprovider Webpass, der Predicitive-Analytics-Spezialist Apigee oder auch Moodstocks, der Anbieter von Bilderkennungs-Apps. Damit hat Google frühere "Serial Acquirer" (z.B. Cisco) abgelöst. Während das Corporate Venturing in früheren Zeiten insbesondere auf neue Technologien fokussierte, geht es heute zunehmend um die Stärkung des (bestehenden) Ökosystems. So geht es dann offenbar bei Google auch darum, das bestehende Ökosystem zu sichern und auszu-bauen. Damit haben Google und auch die anderen genannten Unternehmen aber den Wettbewerb um zukünftige Chancenanteile im Fokus (zur Unterscheidung von Wettbewerb um Markt- und Chancenanteile siehe auch Eckert, Business Innovation Management, Springer Gabler 2017).

Bei klassischen (deutschen) Unternehmen fehlen häufig noch Ökosysteme, wie sie Apple, Amazon, Alibaba oder auch Google bereits geschaffen haben. Entsprechend schwierig scheint es für ein CVC in klassischen Unternehmen, die "richtigen" Beteiligungen zu identifizieren. Dann - und auch aufgrund der Renditeorientierung der Muttergesellschaft - scheint der Fokus auf die Rendite eine gute Alternative zu bieten. Es wird sich an Start-ups in den "richtigen" Schwerpunkten Biotechnologie, Smart Home, IoT, Mobilität, etc. beteiligt. Co-Investments mit klassischen VCs werden als der richtige Weg gefeiert.

Ausgründung und Corporate Venturing im Chancenanteilswettbewerb

Grundsätzlich kann der Auf- und Ausbau eines Ökosystems im Chancen-anteilswettbewerb insbesondere durch Ausgründungen und auch durch Beteiligungen (Corporate Venturing) vorbereitet und umgesetzt werden.

  • Ausgründungen: Der Auf- und Ausbau des Ökosystems kann dadurch geschehen, dass Unternehmen eigene "try-and-error"-Ausgründungen (siehe z.B. diverse Ausgründungen bei Alibaba) - häufig inspiriert durch vorhandene Vorbilder - vorantreiben. Erfolgreich sind diese Ausgründungen aber nicht durch den Nachbau der Vorbilder, sondern eher durch die Anschlussfähigkeit an den eigenen Geschäfts-modellkern/Business Model Prototype. Dieser interne Weg setzt aber organisa-torische (z.B. Schwarm-Organisation) und kulturelle (z.B. Intra-/Entrepreneurship, Fehlerkultur) Veränderungen voraus.
  • Corporate Venturing: Der Auf- und Ausbau des Ökosystems kann aber auch durch Corporate Venturing vorangetrieben werden. Dies setzt jedoch eine Fokussierung des Corporate Venturings auf diesen Wettbewerb um Chancenanteile voraus.

Hier kann man dann aber durchaus von Google, Amazon und den genannten Unternehmen lernen. Diese stellen bei den Ausgründungen und beim Corporate Venturing den Geschäftsmodellkern - den Business Model Prototype - in den Mittelpunkt. Die Stärkung des Geschäftsmodellkerns steht immer im Fokus. Dabei besteht ein Geschäftsmodellkern u.a. aus den strategischen Kompetenzen, der Geschäftslogik, den strategischen Ressourcen oder auch dem Markenimage (vgl. Eckert, Business Innovation Management, Springer Gabler 2017).

Corporate Venturing im Chancenanteilswettbewerb

Die zunehmende Bedeutung des Chancenanteilswettbewerbs bietet somit Potenziale für eine neue Ausrichtung der CVC-Aktivitäten in etablierten Unter-nehmen. Dabei geht es zunächst darum, den Business Model Prototype von Mutterunternehmen und Geschäftsbereichen zu kennen und zu verstehen.

Zudem muss die Art des (zukünftigen) Ökosystems spezifiziert werden. Hier stellt sich die Frage, ob es eher um den Aufbau eines vernetzten Produkt-Ökosystems, oder eher um den Aufbau eines vernetzen Kunden-Ökosystems geht. Im erstgenannten Fall soll ein Produkt oder eine Dienstleistung sukzessive für die Kunden (u.a. durch Techno-logien) aufgewertet und in der Attraktivität gesteigert werden. Im zweitgenannten Fall soll eine Kundenbasis durch zusätzliche Produkte und Dienstleistungen (u.a. auch ergänzt durch neue operative Geschäftsmodelle/durch einen neuen erweiterten Business Model Prototype) weiter ausgebaut und enger an das eigene Unternehmen gebunden werden.

Die Beteiligung der Deutsche Post an dem Start-up Streetscooter - einem Transporter mit Elektroantrieb - kann in unserem Verständnis in diesem Sinn dann entsprechend interpretiert werden. Mit einem u.a. steigenden Umweltbewusstsein der Kunden, und zunehmenden Einfahrtbeschränkungen in Umweltzonen/ Stadtbereichen stellen Elektro-Transporter eine wichtige zukünftige strategische Ressource dar. Durch die Beteiligung an Streetscooter wird das eigene Produkt/Dienstleistungs-Ökosystem weiter ausgebaut sowie der eigene Business Model Prototype durch eine neue strategische Ressource gestärkt. Ähnlich wie die Amazon Web Services (AWS) - früher "nur" eine strategische Ressource im Business Model Prototype von Amazon - kann hieraus mit Phantasie auch ein neuer bzw. weiterer Business Model Prototype für die Deutsche Post entstehen.

Schlussfolgerungen für das zukünftige Corporate Venturing

Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass sich auch CVC-Einheiten wie die klassischen VC-Unternehmen renditefokussiert (für den Marktanteilswettbewerb) aufstellen. Nur in diesem Fall macht ein kontinuierliches Co-Investment mit (unabhängigen) VC-Unternehmen dann wirklich Sinn. Dann sollten jedoch weniger die Einzelinvestments, sondern - ganz klassisch - das Gesamt-Portfolio im Mittelpunkt stehen. Zudem muss hier dann aber auch ein sofortiger Transfer von Wissen (z.B. Technologien) in die bestehenden operativen Einheiten möglich sein.

Aus unserer Sicht müssen/sollten sich CVC-Einheiten aber stärker auf den Auf- und Ausbau von Ökosystemen und damit insbesondere auf den Chancenanteilswett-bewerb konzentrieren. Hier wird sich dann aber zeigen, ob die gefeierten Me-too-Investitionen wirklich sinnvoll sind. Im Mittelpunkt muss hier besser der eigene Business Model Prototype und das angestrebte Ökosystem stehen, oder eben auch ein zukünftiger Business Model Prototype inkl. zukünftigem Ökosystem. Für CVCs sind monetäre Erfolge sicher auch sinnvoll, wichtiger ist jedoch der aktive Aufbau eines Ökosystems für das Mutterunternehmen und die Geschäftsbereiche im Wettbewerb um Chancenanteile.

Fasst man zusammen, so stellt man fest, dass es überlegenswert ist, die CVC-Aktivitäten noch stärker mit dem Innovationsmanagement, den unternehmens-spezifischen Schwerpunkten im Chancenanteilswettbewerb, den entsprechenden Analysen des Business Model Prototypes, den aktuellen und zukünftig erwartbaren Ökosystemen sowie den zukünftigen Technologie- und Fähigkeiten-Roadmaps zu verbinden. Dabei muss das Corporate Venturing auch radikale Brüche in der Branche, das Entstehen von Produkt- und Kunden-Ökosystemen sowie auch von branchenübergreifenden Wettbewerbsarenen noch viel aggressiver „vorausdenken“, und die Investitionsentscheidungen in einem höheren Maße hiervon abhängig machen.

 

Hinweis: Dieser Artikel ist in einer früheren Überlegung auch auf Springer Professional erschienen. Siehe in diesem Zusammenhang dann https://www.springerprofessional.de/innovationsmanagement/beteiligung/corporate-venturing-staerkt-die-innovationsfaehigkeit-/12187122?wt_mc=offsi.emag.controlling-management-review.rssnews.-.x

Why Daimler is embracing the „swarm-organization “

The competitive pressure imposed by IT corporations like Google or Apple is forcing the hand of traditional companies. To be able to operate faster and more flexible Daimler is switching in parts to a swarm-organization.

Digitization has led to a hyper-dynamization in the contest for innovation. Therefore, competitive advantages are now only temporary. In preference to efficiency and stability it is more about dynamics and agility. Which is why traditionally hierarchical organizations are experiencing increased criticism.

The statement of Daimler CEO Dieter Zetsche (FAZ 09.07.2016) is also to be put in this context: “We envision to shift about 20 percent of our employees to a swarm-organization. In doing so, employees who are not bound to strict hierarchies shall be linked for certain topics” (original wording: „Wir stellen uns vor, dass wir (…) rund 20 Prozent der Mitarbeiter auf eine Schwarm-Organisation umstellen. (…) Dabei sollen Mitarbeiter, die nicht in strikte Hierarchien eingebunden sind, für bestimmte Themen verknüpft“). Thereby Daimler should be operating like a start-up company, at least partially. But what does this entail for the digital contest for innovation?

The traditional contest for innovation is about one-dimensional innovation. Product and process innovation are being promoted, which will partially have an impact on the business model. The digital hyper competition on the other hand, is all about multi-dimensional innovations. At least two different types of innovations are being promoted simultaneously and integrated with each other, e.g. product and business model innovation (lean Start-up).

With this new multi-dimensional competition for innovation organizational challenges for companies arise. It is well-known that it is required to build new interdisciplinary teams beyond the traditional departments for development and already established hierarchies (e.g. Business Innovation Factory), for the advance of multi dimension innovations. Although, in some cases the problem is, that there is a lack of a solid connection to the core-organization. This makes a renewal of the existing organization difficult.

 

Swarm-organization: horizontally connected teams

Within the dynamic competition companies have to be capable of quickly acting and reacting to unforeseen changes, they have to be increasingly agile. Here, a “horizontal connection/ horizontal inter-compatibility” of the teams beyond the traditional hierarchies is critical for the success. This peer-to-peer connection between (decentralized) teams is an essential for a swarm-organization.

The new “inter-compatibility” requires a horizontal connection on various levels. First it is necessary to set up a connectivity of infrastructure through internal electronic marketplaces and platforms within the company which allow a continuous and spontaneous “real-time” transfer. On the information-level, employees are able to permanently view relevant information as well as contribute their own input. Within the cognitive-level the connectivity fosters new understandings and with it the exploration of ideas for innovative products and business models. Through common understandings the spontaneous and fast cooperation is facilitated on the social-level.

 

Autonomy and self-organization within the swarm-organization

Furthermore, “self-organization” is at the center of the swarm-organization. Herby, the “swarm-teams” and the associated employees are appointed a higher occupational competency and more freedom of action. At the same time a greater flexibility and self-motivation is necessary. The employees and teams work as internal entrepreneurs within their own company. In doing so, the internal connection has to be accompanied by a connection with the current and future customers of the sector as well as the cross-sector arenas of competition.

But self-organization does not signify a complete elimination of external-organization by the management. The external-organization rather concentrates – as seen e.g. with the online company Alibaba – on the vision and the strategic issues. Specific development of new (multi-dimensional) product and business model innovations lies within the responsibilities of the appointed innovation-teams and employees.

For several years, Alibaba operates in this manner. Their leadership has continuously evolved the vision of the company based on “Strategic Foresights”. This has led to continuous enhancements of their original e-commerce platform for small export companies to an online shopping platform, an online B2C market place and other divisions, through the use of multidimensional innovations as well as with the help of small innovation-teams  by Alibaba.

 

Willingness to change as a part of the company culture

Therefore the “swarm-organization” is indeed capable of being a structural solution to the challenges arising from the multi-dimensional innovation management. Thus, the implementation of a swarm-organization rather complies with the proceedings of a company-transformation.

It is not about the “big leap forward” but more about the consistent implementation of target oriented steps. Hereby, the execution has to originate from a central vision, so there is a disciplinary experiment at the core of the execution. Within the corporate practice the opportunity arises to start with pilot topics promoted by internal entrepreneurs.

The employees outside of the swarm-organization/-teams must parallelly be increasingly sensitized towards changes to the company – willingness to change has to become a solid part of the company culture. Leadership and employees mustn’t understand continuous changes as a threat but rather as an opportunity. If established companies strive to achieve the agility of start-ups, this constitutes a substantial challenge.

Denken in Optionen - das vierte Innovationsparadigma im digitalen Hyperwettbewerb

Der klassische Innovationswettbewerb wird durch drei Innovationsparadigmen (auch Innovationsziele) bestimmt: Differenzierung, Geschwindigkeit und Disruption. Insbesondere im hyperdynamischen Innovationswettbewerb scheint jedoch ein viertes Innovationsparadigma zunehmend wichtiger zu werden: das Denken in Optionen. Damit verbunden ist auch eine Veränderung im Managementfokus.

 

Die drei bekannten Innovationsparadigmen im klassischen Innovationswettbewerb

Der klassische Innovationswettbewerb ist durch eindimensionale Produkt- und Prozessinnovationen bestimmt. Eindimensional bedeutet, dass die genannten Innovationen sequentiell vorangetrieben werden. Diese eindimensionalen Produkt- und Prozessinnovationen führen häufig dann auch zu Veränderungen des operativen Geschäftsmodells (z.B. Änderung der Wertschöpfungspartner, Änderung des Kosten- und Erlösmodells) (vgl. Eckert 2014 und 2016). Häufig bleibt dieser klassische Innovationswettbewerb auf eine bekannte Branche fokussiert.

Dieser bekannte und klassische Innovationswettbewerb ist durch drei bekannte Innovationsparadigmen (häufig auch Innovationsziele) geprägt, durch die ein Wettbewerbsvorteil entsteht (vgl. Eckert 2016c): Differenzierung, Geschwindigkeit und Disruption.

  1. Differenzierung steht für die Schaffung von innovativen Nutz- bzw. Mehrwerten für die Kunden. Entscheidend für den Erfolg einer Produkt- und Prozessinnovationen ist es, den Kunden Nutzenkriterien anzubieten, die einen Mehrwert bieten.
     
  2. Geschwindigkeit („first-to-market“, „speed-to-market“, „time-to-market“) beschreibt die Zeit, welche ein Unternehmen benötigt, um eine Innovation – ein neues Produkt bzw. eine neue Dienstleistung – auf den Markt zu bringen. Je schneller dies gelingt, bzw. je kürzer die benötigte Zeit ist, desto eher hat das Unternehmen die Möglichkeit, eine positive Marge und einen positiven Cashflow zu generieren.
     
  3. Unter einer Disruption versteht man eine Innovation, welche einen (radikalen) Bruch mit den vorhandenen Angeboten, Prozessen, Technologien, etc. darstellt. Die Innovation liefert z.B. vollkommen neue Nutzenkriterien, oder kombiniert vorhandene Nutzenkriterien in einer vollkommen neuen Art und Weise. Disruptive Innovationen entstehen nach Christensen insbesondere in neuen Märkten oder in unteren Preissegmenten (vgl. Christensen et. al. 2016).

Unter diesen drei bekannten Innovationsparadigmen wird der Geschwindigkeit ("First-Mover-Advantage") häufig eine besondere Bedeutung zugewiesen. So zeigten verschiedene Untersuchungen in der Vergangenheit, dass die ersten drei Unternehmen im Markt teilweise bis zu 90 Prozent des Markt-/Ergebnispotenzials abschöpfen konnten. Damit schien festzustehen, dass es von Vorteil ist, mit dem richtigen Produkt/Service früh auf den Markt (Geschwindigkeit) zu kommen. Diese Sichtweise wird noch dadurch verstärkt, dass Produkt- und Service-Lebenszyklen und damit auch die Nutzungsdauer eines Wettbewerbsvorteils zunehmend kürzer werden (vgl. Eckert und Grübel 2014).

 

Die drei bekannten Innovationsparadigmen im digitalen Innovationswettbewerb

Aktuell wird dieser klassische Innovationswettbewerb durch die Digitalisierung von Produkten und Prozessen geprägt. Unternehmen treiben nun digitale Produkt- und Prozessinnovationen voran, welche dann auch häufig zu digitalen Veränderungen des (operativen) Geschäftsmodells führen. Einige Beispiele verdeutlichen dies (vgl. Eckert 2016):

  1. Differenzierung: Durch den Einsatz digitaler Technologien versuchen Unternehmen, den Kunden besser kennenzulernen. Durch dieses Wissen soll die Differenzierung der eigenen Produkte/Services vom Wettbewerb (weiter) verstärkt werden. So nutzt z.B. AUDI digitale Algorithmen zur Co-Entwicklung eines neuen software-basierten Infotainment-Systems mit den Kunden zusammen. In einem kontinuierlichen iterativen Prozess wurden Fragen zu den Nutzen-/Produktanfor-derungen gestellt, Kundenantworten bewertet, die Fragen durch das System weiter detailliert und die Ergebnisse kontinuierlich in den Entwicklungsprozess wieder eingebracht.
     
  2. Geschwindigkeit: Durch die genannte Kundenorientierung wird grundsätzlich auch der Entwicklungsprozess beschleunigt. Des Weiteren tragen auch web-basierte Open-Innovation-Plattformen zu einer weiteren Beschleunigung durch die Internalisierung von externem Wissen bei. Diese Möglichkeiten werden von einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen bereits aktiv genutzt (z.B. P&G, Intel, Microsoft, Google, BASF, Nestle).
     
  3. Disruption: Durch die Digitalisierung entstehen zunächst digitale Produkte und Dienstleistungen. Disruptiv werden diese Neuerungen häufig dann, wenn an den Produkt- und Dienstleistungsinnovationen ansetzende disruptive Geschäftsmodelle einen neuen Kundennutzen generieren. So baut z.B. General Electric Sensoren in Flugzeugtriebwerke ein, um Kunden durch disruptive digitale Dienstleistungen (u.a. Predictive Maintenance Analytics) in Echtzeit kundenspezifische Wartungsempfehlungen und -leistungen anbieten zu können.

Diese Beispiele aus dem digitalen Innovationswettbewerb verdeutlichen, dass der Innovations-geschwindigkeit in diesem digitalen Innovationswettbewerb weiter eine besondere Bedeutung zukommt. Die Erhöhung der Entwicklungsgeschwindigkeit wird jedoch nicht mehr nur durch klassische Prozessoptimierungen (z.B. Lean/Fast Innovation in der Entwicklung) erreicht. Vielmehr wird zunehmend versucht, durch digitale Technologien den (potenziellen) Kunden noch stärker einzubinden, um dadurch auch die Entwicklungsgeschwindigkeit zu erhöhen. Zudem scheint sich der Schwerpunkt im digitalen Innovationswettbewerb zunehmend auf den schnellen Aufbau von neuen digitalen Geschäftsmodellen zu fokussieren, um das eigene Unternehmen digital zu transformieren ("das eigene Geschäftsmodell digital angreifen").

 

Das Denken in Optionen als neues Innovations-paradigma im digitalen Hyperwettbewerb

Der digitale Hyperwettbewerb (hyperdynamischer digitaler Innovationswettbewerb) unter-scheidet sich deutlich vom klassischen und auch vom digitalen Wettbewerb. So existiert kaum noch ein Wettbewerb um den richtigen Transformationspfad. Unternehmen müssen permanent vorbereitet sein, kurzfristig auf vorhersehbare und unvorhersehbare Veränderungen im Wettbewerbsumfeld (Branche und Wettbewerbsarena, vgl. Eckert 2016a und 2016b) reagieren zu können. Dies hat zur Folge, dass dem hyperdynamischen digitalen Innovationswettbewerb um Chancenanteile eine zunehmende Bedeutung zu.

Dabei geht es in diesem Innovationswettbewerb um Chancenanteile insbesondere um multidimensionale Innovationen. Zu multidimensionalen Innovationen werden eindimensionale Innovationen dann, wenn ein Unternehmen mindestens zwei eindimensionale Innovationstypen gleichwertig miteinander verbindet. Lean Start-up ist in diesem Verständnis eine multidimensionale Innovation, welche Produkt- und (operative) Geschäftsmodellinnovation miteinander verbindet.

In diesem hyperdynamischen Innovationswettbewerb (um Chancenanteile) verändern sich die drei bekannten Innovationsparadigmen; zudem ist ein viertes Innovationsparadigma – das Denken in Optionen – im Entstehen. Dieses vierte Innovationsparadigma scheint zunehmend im Mittelpunkt zu stehen. Zudem ist dieses vierte Innovationsparadigma eng verbunden mit dem Business Model Prototyping (vgl. Eckert 2016d):

  1. Optionen: Im Chancenanteilswettbewerb geht es zunächst um einen pro-aktiven Aufbau eines Portfolios von Optionen. Dies wird zunehmend auf der Grundlage von Strategic Foresighting (im Gegensatz zur Szenarioplanung) geschehen.  Auf der Basis von Entwicklungstrends, Technologietrends, Veränderung der Bevölkerungsstrukturen, erwartete Veränderungen der Lebensgewohnheiten der Menschen werden Bilder der Zukunft entwickelt, bei welchen keine Anknüpfung zur aktuellen Realität (im Gegensatz zur Szenarioplanung) eines Unternehmens vorhanden sein muss. Aus diesen Bildern werden zukünftige Kundenbedürfnisse, Produktideen und Business Model Prototypes abgeleitet (vgl. Eckert 2014 und 2016):

    So spaltete Alibaba auf der Grundlage von Strategic Foresighting die erfolgreiche Tochter Taobao in drei unabhängige Unternehmen mit demselben Geschäftsmodellkern (Business Model Prototype) auf. Gleichzeitig wurden die drei neuen Unternehmen auf die Befriedigung von verschiedenen zukünftig möglichen Kundenbedürfnissen ausgerichtet. Im Ergebnis hat Alibaba mit Tmall einen Marktführer im B2C-Handelssektor, mit Taobao einen Marktführer im C2C-Handelssektor sowie mit Etao einen Nischenanbieter etabliert.
     
  2. Differenzierung: Aus den Optionen – der Kombination von Kundenbedürfnissen, Produktideen und Business Model Prototypes – werden in enger Abstimmung mit den potenziellen Kunden konkrete Produkt- und operative Geschäftsmodell-innovationen („jobs-to-be-done“ in Verbindung mit einem erweiterten Business Model Prototype) erarbeitet. Differenzierung entsteht zukünftig zunehmend aus multidimensionalen Innovationen (vgl. Eckert 2016).
     
  3. Geschwindigkeit: Geschwindigkeit beschreibt die Zeit, welche ein Unternehmen benötigt, um eine Innovation auf den Markt zu bringen. Dieser First-Mover-Advantage wird weiter wichtig bleiben. Voraussetzung für eine hohe Geschwindigkeit ist jedoch zunehmend ein Denken in Optionen als neues Innovationsparadigma.
     
  4. Disruption: Betrachtet man aktuelle disruptive Innovatoren (z.B. Uber, Tesla, AirBnB), so kann man feststellen, dass im Chancenanteilswettbewerb neue disruptive Opportunitäten insbesondere durch Wettbewerber mit neuem/anderem Geschäftsmodellkern (Business Modell Prototype) – strategische Kompetenz, strategische Prozesse, strategische Ressourcen, Markenimage und Geschäftslogik – im Vergleich zum vorherrschenden/etablierten Geschäftsmodellkern in der Branche entstehen.

 

Ein kurzer Ausblick auf das Innovationsmanagement im digitalen Hyperwettbewerb

Der klassische First-Mover-Advantage beschreibt im Allgemeinen den Übergang vom klassischen Wettbewerb um Chancenanteile zum Wettbewerb um Marktanteile. Hier haben Unternehmen versucht, (radikale) eindimensionalen Produkt- und Prozessinnovationen mit/ohne anschließenden Geschäftsmodellinnovationen schnell auf den Markt zu bringen, um schnell einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Danach wird ein Unternehmen im klassischen Wettbewerb aber nur erfolgreich bleiben, wenn es gelingt, den Wettbewerbsvorteil – durch inkrementelle Innovationen und Performanceverbesserungsprogramme – möglichst lange zu nutzen (vgl. Abb. 1). Im digitalen Wettbewerb hat sich das Bild nicht so sehr verändert – digitale Geschäftsmodelle haben jedoch zusätzlich an Bedeutung gewonnen (vgl. Abb. 2).

Im zukünftigen digitalen Hyperwettbewerb ist die Geschwindigkeit weiter ein wichtiger Treiber. Dies gilt umso mehr, da zukünftig für den Übergang vom Hyperwettbewerb um Chancenanteile zum Hyperwettbewerb um Marktanteile immer weniger Zeit zur Verfügung stehen wird (vgl. Abb. 3).

Wichtig ist es deshalb, durch multidimensionale Innovationen pro-aktiv ein Portfolio erfolgsversprechender Produkt- und Geschäftsmodelloptionen zu identifizieren und durch Experimente voranzutreiben. Nur ein Optionen-Portfolio schafft die Grundlagen für den zukünftigen Geschwindigkeitswettbewerb. Das wird durch unternehmensinternes Business Development und durch unternehmensinterne Innovationsfabriken (vgl. Eckert 2016) alleine nicht (mehr) gelingen. In der Konsequenz muss ein Managementteam im digitalen Hyper-wettbewerb in einem noch stärkeren Maße pro-aktiv agile und selbst-synchronisierende Team- und Organisationsmodelle gestalten, um die interne Geschwindigkeit, die Agilität und die Interoperabilität insgesamt zu steigern (vgl. auch Eckert 2016e und 2017).

Gleichzeitig wird ein Unternehmen zunehmend ein geschäftsmodellfokussiertes Corporate Venturing (genauer: ein Business Model Prototype-fokussiertes Corporate Venturing) anstelle eines „rein“ technologie- und produktorientierten Corporate Venturing aufbauen müssen. Dies wird Auswirkungen auf den Investitionsfokus von Corporate Venturing in der Zukunft haben (vgl auch allgemein zu M&A und Post Merger Integration Eckert 2014).

 

 ... Fortsetzung folgt...

 

Ergänzende/vertiefende Literatur:

Christensen, C., Raynor, M. und McDonald, R.  (2016), Was ist disruptive Innovation?, in Harvard Business Manager, Januar 2016.

Eckert, R. (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovation im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016a), Herausforderung Hyperwettbewerb in der Branche. Strategie und strategisches Geschäftsmodell im Fokus, essentials-Reihe, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016b), Herausforderung Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen. Strategie und strategisches Geschäftsmodell im Fokus, essentials-Reihe, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016c), Lean Startup in Konzernen und Mittelstandsunternehmen. Ergebnisse einer Expertenbefragung und Handlungsempfehlungen, essentials-Reihe, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016d), Business Model Prototype. Der Kern des Geschäftsmodells, in: https://www.linkedin.com/pulse/business-model-prototype-der-kern-des-prof-dr-roland-eckert

Eckert, R. (2016e), Wie gestaltet man zukunftsfähige Organisationsstrukturen, in Roehl, H. und Asselmeyer, H., Organisationen klug gestalten - Kompetenzen für eine komplexe Welt, Schäffer-Poeschel, Stuttgart.

Eckert, R. (2017), Warum Daimler auf die Schwarm-Organisation setzt, in: https://www.linkedin.com/pulse/warum-daimler-auf-die-schwarm-organisation-setzt-eckert

Eckert, R. und Grübel, H. (2014), Das Ende der Wettbewerbsvorteile, in Lünendonk Handbuch Consulting 2014.

Warum Daimler auf die Schwarm-Organisation setzt

Der Wettbewerbsdruck durch IT-Konzerne wie Google oder Apple setzt traditionelle Unternehmen unter Zugzwang. Um schneller und flexibler agieren zu können, stellt Daimler deshalb teilweise auf die Schwarm-Organisation um.

Die Digitalisierung hat zu einer Hyper-Dynamisierung des Innovationswettbewerbs geführt. Wettbewerbsvorteile sind deshalb nur noch zeitlich begrenzt. Anstelle von Effizienz und Stabilität geht es um Dynamik und Agilität. Deshalb geraten die klassischen hierarchischen Organisationsmodelle und auch das klassische Innovationsmanagement zunehmend in die Kritik.

In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage von Daimler-Chef Zetsche (FAZ 7.9.2016) zu verstehen: „Wir stellen uns vor, dass wir (…) rund 20 Prozent der Mitarbeiter auf eine Schwarm-Organisation umstellen. (...) Dabei sollen Mitarbeiter, die nicht in strikte Hierarchien eingebunden sind, für bestimmte Themen verknüpft werden“. Damit soll Daimler, zumindest in Teilen, agieren wie ein Start-up-Unternehmen. Doch was bedeutet das für den digitalen Innovationswettbewerb?

Im bekannten klassischen Innovationswettbewerb geht es um eindimensionale Innovationen. Es werden Produkt- und Prozessinnovationen vorangetrieben, die teilweise auch Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle haben werden. Dagegen geht es im digitalen Hyperwettbewerb um multidimensionale Innovationen. Hier werden mindestens zwei Innovationstypen, zum Beispiel Produkt- und Geschäftsmodellinnovation (Lean Start-up) gleichzeitig und miteinander integriert vorangetrieben.

Dieser neue multidimensionale Innovationswettbewerb stellt jedoch auch neue organisatorische Anforderungen an die Unternehmen. So ist bekannt, dass zur Erarbeitung von multidimensionalen Innovationen interdisziplinäre Teams außerhalb der klassischen Entwicklungsbereiche und außerhalb der bekannten Hierarchien aufgebaut werden müssen (z.B. Business Innovation Factory). Das Problem hier ist jedoch in manchen Fällen, dass eine stabile Verbindung zur Kernorganisation fehlt. Eine Erneuerung der bestehenden Organisation ist dann schwierig.

Schwarm-Organisation: horizontal vernetzte Teams

Im dynamischen Wettbewerb müssen Unternehmen zunehmend in der Lage sein auf unvorhersehbare Veränderungen schnell agieren und reagieren zu können. Unternehmen müssen zunehmend agil sein. Erfolgsentscheidend ist hier dann, dass die Teams außerhalb der klassischen Hierarchien „horizontal vernetzt/horizontal interkompatibel“ sind. Diese Peer-to-Peer-Vernetzung zwischen (dezentralen) Teams ist wesentlich für eine Schwarm-Organisation.

Diese neue „Interkompatibilität“ setzt eine horizontale Vernetzung auf verschiedenen Ebenen  voraus. Zunächst ist eine infrastrukturelle Vernetzung über interne elektronische Marktplätze und Plattformen im Unternehmen, die den kontinuierlichen und spontanen Austausch in „real-time“ ermöglichen, notwendig. Auf der Informationsebene können die Mitglieder die relevanten Informationen dann permanent einsehen und Input geben. Auf der kognitiven Ebene begünstigt die Vernetzung neue Sichtweisen und damit das Entdecken von neuen und innovativen Produkt- und Geschäftsmodellideen. Auf der sozialen Ebene wird durch eine gemeinsame Sichtweise die spontane und schnelle Zusammenarbeit erleichtert.

Eigenverantwortung und Selbstorganisation in der Schwarm-Organisation

Im Mittelpunkt der Schwarm-Organisation steht zudem die „Selbstorganisation“. Hier werden den „Schwarm- Teams“ und zugehörigen Mitarbeitern eine höhere Handlungskompetenz und höhere Freiheitsgrade zugewiesen. Gleichzeitig ist jedoch auch eine höhere Flexibilität und Eigenmotivation notwendig. Die Mitarbeiter und Teams agieren als interne Entrepreneure im eigenen Unternehmen. Hierbei muss die Vernetzung im Inneren durch eine Vernetzung mit den aktuellen und zukünftigen Kunden in der Branche und in den branchenübergreifenden Wettbewerbsarenen ergänzt werden.

Selbstorganisation bedeutet aber nicht, dass die Fremdorganisation durch das Management gänzlich beseitigt wird. Die Fremdorganisation konzentriert sich vielmehr – das zeigt u.a. das Beispiel des Online-Unternehmens Alibaba – auf die Vision und auf die strategischen Fragestellungen. Die konkrete Erarbeitung neuer (multidimensionaler) Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen liegt in der Verantwortung der jeweiligen Innovationsteams und -mitarbeiter.

Alibaba agiert seit Jahren auf diese Weise. Hier wurde die Vision des Unternehmens auf der Basis von Zukunftsprognosen („Strategic Foresights“) durch das Führungsteam kontinuierlich weiterentwickelt.  Das hat dazu geführt, dass Alibaba die anfangs vorhandene E-Commerce-Plattform für kleine Export-Unternehmen durch die Nutzung multidimensionaler Innovationen und mithilfe kleiner Innovationsteams um u.a. eine Online-Shopping-Plattform, einen Online-B2C-Marktpatz und weitere Einheiten kontinuierlich erweitert hat.

Veränderungsbereitschaft als Teil der Unternehmenskultur

Somit kann die „Schwarm-Organisation“ durchaus eine mögliche strukturelle Lösung auf die Herausforderungen des multidimensionalen Innovationsmanagements sein. Hierbei entspricht die Einführung einer Schwarm-Organisation eher dem Vorgehen bei einer Unternehmenstransformation.

Es geht nicht um den „großen Sprung nach vorne“, sondern um die konsequente Realisierung von zielgerichteten Schritten. Dabei muss diese Umgestaltung von einer zentralen Vision ausgehen. Im Mittelpunkt der Umsetzung steht dann ein diszipliniertes Experimentieren. In der Unternehmenspraxis bietet es sich an, mit ausgewählten Pilotthemen zu beginnen, die von den internen Entrepreneuren vorangetrieben werden.

Die Mitarbeiter außerhalb der Schwarm-Organisation/-Teams müssen parallel auf die zunehmend entstehenden Veränderungen im Unternehmen sensibilisiert werden – Veränderungsbereitschaft muss zum festen Teil der Unternehmenskultur werden. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen kontinuierliche Veränderungen als Chance und nicht als Gefahr begreifen. Hier wird für etablierte Unternehmen eine wesentliche Herausforderung liegen, wenn sie die Agilität eines Start-ups anstreben wollen.

 

Erstmals gekürzt veröffentlicht auf Springer Professional unter dem oben genannten Titel „Warum Daimler auf die Schwarm-Organisation setzt“

https://www.springerprofessional.de/organisationsentwicklung/innovationsmanagement/warum-daimler-auf-die-schwarm-organisation-setzt/12000092?searchBackButton=true&abEvent=detailLink

Business Model Prototype - der Kern des Geschäftsmodells

Das Interesse an Geschäftsmodellen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Grundsätzlich muss man jedoch festhalten, dass der Begriff des Geschäftsmodells nicht neu ist. So wurden schon vor Jahrzehnten verschiedene Arten von Geschäftsmodellen – u.a. strategische, operative, organisatorische oder auch technologische Geschäftsmodelle – unterschieden. In den letzten Jahren standen nun jedoch insbesondere operative Geschäftsmodelle im Mittelpunkt.

Es stellt sich unseres Erachtens aber nun die Frage, ob es bei Geschäftsmodellen nicht auch eine ähnlich sinnvolle Unterscheidung gibt, wie man sie bei der Unterscheidung zwischen strategischem und operativem Management kennt: Das strategische Management – die richtigen Dinge tun – gibt den Rahmen für das operative Management – die Dinge richtig tun – vor.

Auf Geschäftsmodelle übertragen würde dies die Frage aufwerfen, ob es einen Geschäftsmodellkern gibt, welcher den Rahmen für die weiteren (einfacher) veränderbaren Elemente eines Geschäftsmodells vorgibt. In diesem Zusammenhang sprechen wir dann von einem Business Model Prototype als solchen Geschäftsmodellkern, der bestimmend für die weiteren Elementen eines Geschäftsmodells ist. Dieser Gedanke soll im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen weiter aufbereitet werden.

 

Die klassische Perspektive – das operative Geschäftsmodell

Die Mehrzahl der aktuellen Geschäftsmodellansätze lassen sich den operativen Geschäftsmodellansätzen zuordnen. Dabei stellt der Geschäftsmodellansatz von Osterwalder und Pigneur eines der bekannteren Beispiele für einen operativen Geschäftsmodellansatz dar.  Das operative Geschäftsmodell von Osterwalder und Pigneur (2011) setzt sich aus neun Geschäftsmodell-Bausteinen zusammen:

  • Kundensegmente: Für wen schöpfen wir Wert? Wer sind die wichtigsten Kunden?

  • Wertangebote (Value Proposition): Welchen Wert vermitteln wir dem Kunden? Welche der Probleme unseres Kunden helfen wir zu lösen? Welche Kundenbedürfnisse erfüllen wir? Welche Produkt- und Dienstleistungspakete bieten wir jedem Kundensegment an?

  • Kanäle: Über welche Kanäle wollen unsere Kundensegmente erreicht werden? Wie erreichen wir sie jetzt? Wie sind unsere Kanäle integriert? Welche funktionieren am besten? Welche sind am kosteneffizientesten? Wie integrieren wir sie in die Kundenabläufe?

  • Kundenbeziehungen: Welche Art von Beziehung erwartet jedes unserer Kundensegmente von uns? Welche haben wir eingerichtet? Wie kostenintensiv sind sie? Wie sind sie in unser übriges Geschäftsmodell integriert?

  • Einnahmequellen: Für welche Werte sind unsere Kunden wirklich zu bezahlen bereit? Wofür bezahlen sie jetzt? Wie bezahlen sie jetzt? Wie würden sie gerne bezahlen? Wie viel trägt jede Einnahmequelle zum Gesamtumsatz bei?

  • Schlüsselressourcen: Welche Schlüsselressourcen erfordern unsere Wertangebote? Unsere Distributionskanäle? Kundenbeziehungen? Einnahmequellen?

  • Schlüsselaktivitäten: Welche Schlüsselaktivitäten erfordern unsere Wertangebote? Unsere Distributionskanäle? Kundenbeziehungen? Einnahmequellen?

  • Schlüsselpartnerschaften: Wer sind unsere Schlüsselpartner? Wer sind unsere Schlüssellieferanten? Welche Schlüsselressourcen beziehen wir von Partnern? Welche Schlüsselaktivitäten üben Partner aus?

  • Kostenstruktur: Welches sind die wichtigsten mit unserem Geschäftsmodell verbundenen Kosten? Welche Schlüsselressourcen sind am teuersten? Welche Schlüsselaktivitäten sind am teuersten?
     

 Zusammenfassend kann man somit aus unserer Sicht festhalten:

  1. Die bekannten operativen Geschäftsmodellansätze betrachtet "Geschäftsmodelle" aus einer sehr detaillierten Perspektive. Es werden umfassend alle internen und externen Wertschöpfungsinhalte von den Aktivitäten und Ressourcen bis hin zu den Partnern und Kunden angesprochen. Das kann einerseits vorteilhaft sein, da alle Aspekte eines (operativen) Geschäftsmodells frühzeitig in den Blick kommen, andererseits erhöht es aber bereits in einer frühen Phase der Geschäftsmodellentwicklung die Komplexität. Genau das widerspricht aber einem Grundsatz, den die beiden US-amerikanischen Managementforscher Sull und Eisenhardt im Jahr 2012 für den (hyper-)dynamischen Wettbewerb wie folgt formulierten: „Je komplexer das Umfeld, desto einfacher müssen die Regeln sein, nach denen gehandelt wird.“
     
  2. Zudem bleibt festzuhalten, dass die operativen Geschäftsmodellansätze im Allgemeinen den Kundennutzen oder die Value Proposition in den Mittelpunkt stellen. Es geht dann um die Fragen, welche Problemlösungen den Kunden angeboten werden sollen. Im Kern wird damit (stillschweigend) aber auch häufig eine Perspektivenänderung bzw. -erweiterung vorgenommen. Es wird vom Wertversprechen des Unternehmens zum Wertversprechen des angebotenen Produkts bzw. der angebotenen Dienstleistung übergegangen. In unseren Überlegungen sollten die Produkt- und die Unternehmensebene jedoch getrennt bleiben, ohne die Wechselwirkungen zwischen Produkt- und Unternehmensebene zu vernachlässigen. Zwischen beiden Ebenen bestehen sicher Unterschiede, obwohl die beiden Ebenen eng miteinander verbunden sind, wie es auch das Beispiel Markenimage (z.B. Produktmarke vs. Unternehmensmarke) stellvertretend zeigt.

Damit stellt sich nun aber die Frage, ob einige wenige Kernelemente eines Geschäftsmodells identifiziert werden können, die schwer veränderbar sind und die Rahmenbedingungen – siehe den oben genannten Zusammenhang zwischen strategischen und operativen Management – für die weiteren Elemente eines Geschäftsmodells setzen.

 

Der Business Model Prototype – der Geschäftsmodellkern

Unsere Untersuchungen zeigen, dass durchaus einige Kernelemente eines Geschäftsmodells identifiziert werden können. Diese Kernelemente eines Geschäftsmodells bezeichnen wir als Business Model Prototype. Der Business Model Prototype ist die „Competitive Essence“ eines Unternehmens, welches die wesentlichen Details und die wesentlichen Wirkzusammenhänge beschreibt.

Der Business Model Prototype stellt einen fokussierten Blick auf das Geschäftsmodell dar und verbindet die wesentlichen Elemente eines Geschäftsmodells unter besonderer Berücksichtigung der „Value Creation Logic“ und der „Meta Core Competencies“. Die Value Creation Logic beschreibt die Geschäftslogik, wie das Unternehmen Wert schaffen möchte. Die Meta Core Competencies beschreiben die strategischen Fähigkeiten eines Unternehmens.

In unseren aktuellen Untersuchungen setzt sich der Business Model Prototype aus fünf Elementen zusammen: der strategischen Kompetenz eines Unternehmens, den damit eng zusammenhängenden strategischen Prozessen, den strategischen Ressourcen, dem (Unternehmens-)Markenimage sowie der Geschäftslogik: Die Überlegungen zur strategischen Kompetenz schließen an einige ausgewählte entscheidungstheoretische Überlegungen an. In jedem Unternehmen existiert demnach eine strategische Kompetenz, die das strategische Denken im Unternehmen im Wesentlichen bestimmt und beeinflusst.

Eng mit der strategischen Kompetenz verbunden sind die strategischen Prozesse, die zusammen mit der strategischen Kompetenz die strategische Fähigkeiten eines Unternehmens ausmachen. Strategische Prozesse sind die Prozesse eines Unternehmens, die notwendig sind, um die spezifischen Fähigkeiten, das spezifische Wissen und die spezifischen Erfahrungen, die in der strategischen Kompetenz gebunden sind, konkret im Unternehmen umzusetzen. Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen in den strategischen Prozessen einen hohen Reifegrad erreichen.

Im Zusammenhang mit dem dynamischen Wettbewerbsgeschehen kann festgehalten werden, dass die Bedeutung der strategischen Prozesse deutlich zunimmt. So hat die bekannte US-Professorin Kathleen M. Eisenhardt in diesem Zusammenhang festgehalten, dass in turbulenten Märkten weniger die strategische Positionierung (im Sinne von Porter) entscheidend ist. Vielmehr kommt es zunehmend darauf an, dass ein Unternehmen auf die eigenen strategischen Prozesse achten muss (vgl. Eisenhardt und Brown 1999, S. 5.).

Unter strategischen Ressourcen werden im Allgemeinen die Ressourcen verstanden, die ein Unternehmen zur Umsetzung der strategischen Kompetenz aktiv aufbau und nutzt. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich heute insbesondere dadurch aus, dass es ihnen gelingt, IT-Plattformen (z.B. Apple) und/oder IT-Systeme (z.B. Amazon) aufzubauen. Durch strategische Ressourcen wird der Business Model Prototype und damit das gesamte Geschäftsmodell abgesichert und verstärkt.

Beim Markenimage muss zwischen der Produkt- und der Unternehmensmarke unterschieden werden, obwohl beide Marken Gemeinsamkeiten aufweisen. Produktmarken stehen im allgemeinen Verständnis immer in Beziehung zum Kundennutzen bzw. den Nutzenkategorien/den Nutzeninnovationen, die ein Produkt den Kunden bietet. Unternehmensmarken stehen dagegen immer in einer engen Beziehung zum Geschäftsmodell eines Unternehmens. Der Zusammenhang von Geschäftsmodell und Markenimage hat hierbei einen wesentlichen Einfluss darauf, wie ein Unternehmen einerseits am Markt agiert und anderseits, ob und wie es auf neue Wettbewerber reagiert.

Im Mittelpunkt der Geschäftslogik steht die wesentliche Frage im Zusammenhang mit einem Geschäftsmodell: „How do we make money in this business?“. Im Wesentlichen entspricht die Geschäftslogik in unserem Verständnis dann einem sogenannten Kreislaufdiagramm („causal loop diagram“).

Zusammenfassend kann man somit festhalten, dass der Business Model Prototype die wesentlichen Details und die wesentlichen Wirkzusammenhänge eines Unternehmens beschreibt. Der erweiterte Business Model Prototype ist darauf aufbauend vergleichbar mit einem Template, welches aus dem Business Model Prototype abgeleitet wird und einen detaillierten Umsetzungsplan liefert (siehe auch nachfolgende Abbildung).

Geschäftsmodell: Business Model Prototype und erweiterter Business Model Prototype

Geschäftsmodell: Business Model Prototype und erweiterter Business Model Prototype

Im erweiterten Business Model Prototype sind die weiteren Bausteine eines Geschäftsmodells zusammengefasst, die man auch schon aus anderen Überlegungen zu (operativen) Geschäftsmodellen kennt. In unseren Überlegungen geht es dann um die Wertschöpfungsarchitektur,  die Partnerunternehmen,  die Kundensegmente, die Kundenkanälen, die Kundenbeziehungen und den Kundennutzen. Die allgemeinen Überlegungen zu Geschäftsmodellen – das gilt dann auch für den erweiterten Business Model Prototype – zeigen, dass auch noch das Kostenmodell und das Erlösmodell berücksichtigen werden müssen.

 

Ausblick oder warum benötigt man den Business Model Prototype?

Es gibt mehrere Gründe, warum ein Unternehmensmanagement sich mit dem eigenen Business Model Prototype, aber auch den Business Model Prototypes der (potenziellen) Wettbewerber in der Branche und in der Wettbewerbsarena beschäftigen sollte:

Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Herausforderungen im Hyperwettbewerb – und hier insbesondere im Chancenanteilswettbewerb (vgl. Eckert 2016, siehe auch einen früheren Blog auf dieser Seite) – von Unternehmen ausgehen, die einen anderen Business Model Prototype und hier insbesondere branchenunübliche strategische Fähigkeiten aufweisen. Im Chancenanteilswettbewerb ist somit die gleichwertige Fokussierung auf alle Bausteine eines Geschäftsmodells nicht mehr alleine zielführend und ausreichend.

Zusätzlich zeigt sich auch, dass der Business Model Prototype für die erfolgreiche Gestaltung des Innovationsmanagements eines Unternehmens von Bedeutung ist. Sichtbar wird diese Bedeutung, wenn man das bekannte 3-Horizonte-Modell der Innovation neu betrachtet (siehe auch nachfolgende Abbildung). Im Chancenanteilswettbewerb sind insbesondere Innovationshorizont 2 (H2-Innovationen) und Innovationshorizont 3 (H3-Innovationen) von Bedeutung.

3-Horizonte-Modell der Innovationen: Fokus auf H2 und H3 im Chancenanteilswettbewerb

3-Horizonte-Modell der Innovationen: Fokus auf H2 und H3 im Chancenanteilswettbewerb

Im Innovationshorizont 2 bleiben die Geschäftsmodellinnovationen, z.B. im Zusammenhang mit Lean Start-up, innerhalb der Grenzen, die der Business Model Prototype zulässt (vgl. auch Eckert 2016 und 2016a). Diese Art von Innovationen, betrachtet man bspw. das chinesische Internet-Unternehmen Alibaba, scheint für manche Unternehmen sehr zielführend und erfolgsverfolgsversprechend.

Im Innovationshorizont 3 muss hingegen auch der Business Model Prototype, d.h. der Kern des Geschäftsmodells, innovativ verändert werden. Hier spricht man dann eher von strategischen multi-dimensionalen Geschäftsmodellinnovationen (vgl. Eckert 2016). Car2Go ist in dieser Sicht ein klassisches Beispiel für eine H3-Innovation. Car2Go basiert auf einer neuen Vision, einem neuen Business Model Prototype und einem neuen erweiterten Business Model Prototype. Diese Art von Innovation muss immer mit der Entwicklung neuer strategischer Fähigkeiten verbunden werden und geht deshalb über das Vorgehen beim klassischen Lean Start-up (in etablierten Unternehmen) hinaus. Das erhöht dann das Erfolgsrisiko deutlich und begründet, warum H3-Innovationen derzeit seltener zu sehen sind als H2-Innovationen.

Unsere Untersuchungen zeigen aber auch, dass der Business Model Prototype auch maßgeblich die Fähigkeiten eines Unternehmens beim Übergang von einem Pipeline- zu einem Plattform-Geschäftsmodell beeinflusst. Im erweiterten Business Model Prototype liegt somit der Unterschied zwischen Pipeline und Plattform; der Business Model Prototype ist der stabile oder auch der restriktive Kern.

 

 

... Fortsetzung folgt ...

 

Literatur:

Eckert, R. (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovation im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016a), Lean Startup in Konzernen und Mittelstandsunternehmen, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eisenhardt, K.M. und Brown, S.L. (1999), Wie Sie Ihr Geschäftsportfolio flexibel gestalten, in: Harvard Business Manager, 6/1999, S. 2-12.

Osterwalder, A. und Pigneur, Y. (2011), Business Model Generation. Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer, Campus, Frankfurt.

Sull, D. und Eisenhardt, K. M. (2012), Einfache Regeln für eine komplexe Welt, in: Harvard Business Manager, Oktober 2012, S. 38 - 46.

 

Lean Start-up is not enough in established companies

Lean Start-up seems to be the most promising innovation method to start a new business. The core focus is on combining the pain point of customers/prospects (“jobs-to-be-done”) with the development of an appropriate operating business model to deliver the solution. Also in established companies, management teams are focusing on implementing the Lean Start-up approach. The main question remains, is Lean Start-up the right way and sufficient for future success in established companies?

 

Innovation activities in established companies have to focus on the Three Horizons

According to Baghai et. al (1999), Eckert (2016a) re-defined the scope of the “Three Horizon-model”:

  • Horizon One (H1) represents parts of a company focused on the current competitive advantage/distinction. In H1, innovation activities are based on the current Vision, the existing Business Model Prototype and the current Operating Business Model.
     
  • The focus of Horizon Two (H2) is on building emerging businesses. In H2, activities are focused on extending the existing Operating Business Model by changing some selected business model canvases. Vision and Business Model Prototype remain unchanged.
     
  • Horizon Three (H3) is about creating viable options for the future. In H3, a company tries to work out a new Vision, a new Business Model Prototype (Minimum Business Model Canvas) and as a consequence a new Operating Business Model (Extended Business Model Prototype).

 

Innovation focus in Horizon One: customer-driven innovation approach

In H1, the main focus is on incremental product innovation. To improve success from innovation, management teams have to ensure that the innovation process is becoming faster and more customer-focused. Reducing the lead time means reducing the utilization of the engineers and to improve the cross-training of the people in relevant knowledge areas.

An integrated (online) customer network is becoming much more important. Software is used to automatically evaluate R&D prototypes (e.g. Audi) based on responses from customers (Accenture 2013). Customers were able to deliver an input on their ideal product solution, e.g. based on how much money they were willing to spend and the features they want to have. In other words, you have to focus on the “job-to-be-done”.

In this case, the Vision of the company, the Minimum Business Model Canvas and the Operating Business Model remain stable and unchanged.

 

Innovation focus in Horizon Two: Lean Start-up based innovation approach

In H2, the management team looks for new business opportunities – outside the current product portfolio but within the traditional market and/or within the traditional customer base. In this case the main focus of Lean Start-up is on an incremental improvement of the current products or services combined with a new Operating Business Model through new technologies to reduce inefficiencies in the current value chain.

To do so, a management team has to develop a new vision for the company. Based on this new vision, the focus is on the pain points (“job-to-be-done”) of the current or future customers. Important is that the Business Model Prototype/the Minimum Business Model Canvas remains stable.

Alibaba, the Chinese internet company, is a successful user of this H2-innovation approach. The company began in 1999 as a B2B website for small companies. Then, Alibaba worked out a new vision for the company while using an experimental Lean Start-up approach to develop new products and a new Operating Business Model (Eckert 2016).

 

Innovation focus in Horizon Three: Business Model Prototype (BMP)-based innovation approach

The German Car2Go car leasing service provider is the result of a BMP-based innovation approach. Based on a new and disruptive vision and a new product idea, Car2Go is based on a new Business Model Prototype and (as a consequence) on a new Operating Business Model.

In H3, the management team looks for new business opportunities outside the current product portfolio based on the new vision of the company (e.g. car manufacturer vs. mobility service provider).

H3-innovations have to be based on a new vision and a new Business Model Prototype. As a consequence, there is an additional need for a new Operating Business Model.

 

Result:  Different responsibilities in established companies

Innovations in H1 are a traditional task for the current R&D departments in established companies. A management team has to ensure that there are the right competencies (inside or outside the company) available. Additionally it is necessary to reduce the lead time through online based real-time interactions with the customers.

Innovations in H2 are a major task for a company’s business development department in established companies. A management team has to ensure that there is a common understanding of the new vision while the Minimum Business Model Canvas (Business Model Prototype) remains unchanged. Based on this vision, the focus is on identifying new jobs-to-be-done in combination with a new Operating Business Model.

Innovations in H3 are a major task for a business innovation factory in established companies. The major task is on identifying disruptive changes in the market space. Based on these changes, a management team has to provide the freedom to develop combined new visions, Business Model Prototypes and new Operating Business Models.

 

Lessons Learned for management teams of established companies

Management teams have to be aware of what kind of innovation and what kind of Horizon is in scope:

  • Most companies are focusing on H1- and H2-innovations.
     
  • H1-innovations are improving the current product offerings using real-time approaches to stay in contact with customers and prospects.
     
  • H2-innovations can be used pro-actively to attack, develop and improve the current Operating Business Model. The Minimum Business Model Canvas (Business Model Prototype) and therefore the brand image of the company. The strategic competencies and the strategic processes remain unchanged.
     
  • H3-innovations are a breach of the current Vision, the current Business Model Prototype as well as the current Operating Business Model. If you are attacking your current Operating Business Model with a H3-innovation, there will be only one winner.

 

see additionally “Making Corporate Innovation Work in Established Companies” on this page: http://www.hyperwettbewerb.com/new-blog/2016/9/15/making-corporate-innovation-work-in-established-companies

 

References:

Accenture (2013), Fast and furious: How digital technologies are changing the way we work. Intelligent processes, enabled by digital technology, create a virtuous cycle of constant improvement fed by continuous feedback, 2013, https://www.accenture.com/us-en/insight-outlook-how-digital-technologies-are-changing-the-way-we-work

Baghai, M., Coley, St, and White, D. (1999), The Alchemy of Growth, Orion Business Books, London.

Eckert, R. (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. (German), to be published end of 2016

Eckert, R. (2016a), Making Corporate Innovation Work in Established Companies, posted on September 15, 201, http://www.hyperwettbewerb.com./new-blog/2016/9/15/making-corporate-innovation-work-in-established-companies.

 

Sanierung und Restrukturierung neu betrachtet - nachhaltige Restrukturierung am Beispiel von Apple

Die Sanierung von Unternehmen gilt häufig als Königsdisziplin des Managements. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass eine erfolgreiche Sanierung und Restrukturierung das Überleben eines Unternehmens in einer bedrohlichen Krisensituation erst sicherstellt. Aufgrund der häufig hausgemachten Gründe – z.B. misslungene Großakquisitionen von Wettbewerbern, fehlgelaufene Projekte, fehlende Controlling-Systeme – besitzen Unternehmenssanierungen dennoch einen schlechten Ruf.

Zum schlechten Ruf hat jedoch auch beigetragen, dass viele Unternehmen wenige Jahre nach einer scheinbar erfolgreichen Sanierung und einer anschließenden weiteren Restrukturierung wieder zu Krisen- und Restrukturierungsfällen wurden. Beispiele hierfür sind allgemein aus der Presse bekannt: z.B. KarstadtQuelle/Arcandor, Schefenacker, Schieder. Nicht wenige Unternehmen scheinen nach einer Krise und nach einer „erfolgreichen“ Sanierung und Restrukturierung nur eine zeitlich befristete Krisenstabilisierung erreichen zu können.

Sanierung klassisch betrachtet – erst gesund schrumpfen, dann (wieder) wachsen

Im allgemeinen Verständnis kann „Sanierung“ durch die bekannte V-Kurve beschrieben werden: erst gesund schrumpfen, dann (wieder) wachsen. In diesem Sinn steht zunächst die Stabilisierung des Unternehmens im Mittelpunkt, um das Überleben zu sichern. Hier geht es dann um Liquiditätssicherung, um schnelle Kostensenkungsmaßnahmen und um die Beseitigung von Verlustbringern auf der Produkt- und Geschäftsbereichsebene. Ist das Überleben gesichert, kommt zunehmend die notwendige strategische Neuausrichtung in den Blick. Das Unternehmen muss auf profitablere Produkt- und Marktsegmente neu ausgerichtet werden. Es muss sich auf die Produkte und Märkte konzentrieren, in denen die zukünftigen Erfolgs- und Gewinnaussichten vergleichsweise gut sind.
 

Obwohl nur selten ausdrücklich angesprochen, muss es bei einer strategischen Neuausrichtung immer auch um eine Veränderung des operativen Geschäftsmodells gehen. Dies ist damit begründbar, dass in der klassischen Sicht das operative Geschäftsmodell die Verbindung zwischen der (neuen) Wettbewerbsstrategie bzw. der (neuen) strategischen Positionierung im Markt und dem Organisations- sowie Prozessmodell darstellt. Das operative Geschäftsmodell fasst die Rahmenbedingungen zusammen, die aus der Wettbewerbsstrategie abgeleitet werden müssen und handlungsleitend für die Organisations- und Prozessentwicklung sind. In der Praxis scheint die Veränderung des operativen Geschäftsmodells im Rahmen der Sanierung jedoch nur von einer untergeordneten Bedeutung zu sein. Damit behindert bzw. erschwert ein unverändertes operatives Geschäftsmodell jedoch die Möglichkeiten der strategischen Neuausrichtung deutlich.

In der jüngeren Vergangenheit scheinen jedoch einige Sanierungs- und Restrukturierungsexperten zunehmend daran zu zweifeln, dass die bekannten Maßnahmen der klassischen V-Kurve ausreichen, um eine nachhaltige Sanierung bzw. Restrukturierung sicherzustellen. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Sanierungs- und Restrukturierungsexperten begonnen haben, das vereinfachte Phasenkonzept der V-Kurve durch eine weitere Phase – die Wachstums- und Erneuerungsphase – zu ergänzen. Häufig wird hier dann auch betont, dass gerade diese Wachstums- und Erneuerungsphase in vielen (hoch-)dynamischen Branchen eine notwendige Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Turnaround darstellen würde (vgl. Eckert 2014, S. 233ff.).

Dies hat dazu geführt, dass Sanierung/Restrukturierung neu betrachtet wird. So spricht z.B. Roland Berger (2014) vom notwendigen „Entrepreneurial Restructuring“ im Sinne von „Getting entrepreneurs to restructure enterprises“. Im Mittelpunkt von „Entrepreneurial Restructuring“ steht neben den klassischen Sanierungshebeln nun auch ausdrücklich die Weiterentwicklung des operativen Geschäftsmodells (anders auch: „Business Model Canvas“) als Grundlage für den zukünftigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg im Fokus. Damit wird u.a. sichergestellt, dass ein neues operatives Geschäftsmodell tatsächlich die strategische Neupositionierung unterstützt.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass offenbar die Einsicht wächst, dass die traditionelle V-Kurve mit den klassischen Schwerpunkten nicht mehr ausreicht, um Unternehmen in hochdynamischen Zeiten erfolgreich und nachhaltig zu restrukturieren.  Gleichzeitig kommt die Bedeutung des operativen Geschäftsmodells in der Sanierung und Restrukturierung verstärkt in den Blick. Es stellt sich jedoch dennoch die Frage, ob diese Anpassungen ausreichen, um die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Sanierung und Restrukturierung zu erhöhen.

Sanierung neu betrachtet – Business Model Prototyping im Fokus

Die vorangestellten Überlegungen haben verdeutlicht, dass die klassische Sanierung immer auch implizit die Änderung des operativen Geschäftsmodells berücksichtigen muss. Eine Sanierung darf sich somit nicht nur auf die Krisenstabilisierung und die strategische Neuausrichtung – auf die klassische V-Kurve – beschränken. Eine klassische Sanierung – ohne eine explizite Berücksichtigung des operativen Geschäftsmodells – sorgt häufig nur für ein zeitlich befristetes „Verschnaufen“ des Unternehmens, bevor die Krise in einem häufig noch stärkeren Ausmaß zurückkommt. Mit den Worten von Michael Porter (1997) kann man in diesem Zusammenhang dann auch sagen, dass das Unternehmen weiter im „selbstzerstörerischen Wettbewerb“ verbleibt.

Dennoch stellt sich grundsätzlich die Frage, ob der ergänzende Fokus auf das operative Geschäftsmodell tatsächlich zu nachhaltigen Sanierungs- und Restrukturierungserfolgen führen wird.

Die Sanierung von „Apple“ soll in diesem Zusammenhang als erfolgreiches Beispiel einer nachhaltigen Sanierung angesehen werden. Bei der Sanierung von „Apple“ lag der Fokus nicht nur auf den klassischen Sanierungs- und Restrukturierungshebeln und auf dem operativen Geschäftsmodell, sondern in einem besonderen Maße auf dem Business Model Prototype. So hatte Apple einen neuen Business Model Prototype entwickelt, der sich vom klassischen Business Model Prototype der Branche und damit auch vom Business Model Prototype von Apple vor der Krise unterschied.

Der Business Model Prototype (vgl. Eckert 2014 und 2016) beschreibt die (wesentlichen) Kernelemente eines Geschäftsmodells (hier dann auch „Minimum Business Model Canvas“). Diese wesentlichen Kernelemente haben sich im Allgemeinen im Laufe der Unternehmensentwicklung herausgebildet – noch bevor mit Hilfe eines abgeleiteten operativen Geschäftsmodells („erweiterter Business Model Prototype“) der tatsächliche Marktangang erfolgte. In diesem Sinne stehen beim Business Model Prototype die strategischen Fähigkeiten eines Unternehmens  im Mittelpunkt, d.h. die strategische Kompetenz und die damit zusammenhängenden strategischen Prozesse, in denen das Unternehmen einen hohen Reifegrad besitzen muss. Die strategischen Fähigkeiten werden durch die strategischen Ressourcen (z.B. Produkt-/Kunden-Ökosystem), das Markenimage und die Geschäftslogik ergänzt.

Betrachtet man nun das Beispiel „Apple“ weiter, dann wurde in der Krisensituation die produktorientierte strategische Kompetenz durch eine kundenorientierte strategische Kompetenz (erst später kam noch das operative Plattform-Geschäftsmodell hinzu) ersetzt. Damit änderten sich auch die erfolgsentscheidenden strategischen Prozesse des Unternehmens; das kundenorientierte Markenimage konnte jedoch unverändert bleiben.

Das Beispiel „Apple“ zeigt, dass im Rahmen einer klassischen Sanierung nicht nur eine operative Geschäftsmodellentwicklung notwendig ist, sondern dieser operativen Geschäftsmodellentwicklung häufig eine integrierte oder eine strategische Geschäftsmodellentwicklung vorausgehen muss. Eine integrierte Geschäftsmodellentwicklung ist dann notwendig, wenn eine Änderung der strategischen Kompetenz(en) im Fokus steht. Jede Änderung der strategischen Kompetenz (als Teil des Business Model Prototypings) wird zur Folge haben, dass die aktuellen kompetenznahen strategischen Prozesse ihre herausragende Bedeutung verlieren werden und durch andere Prozesse ersetzt werden müssen. Diese neuen strategischen Prozesse müssen im Reifegrad durch Prozessinnovationen massiv (und integriert) erhöht werden. Unter einer strategischen Geschäftsmodellentwicklung wird eine integrierte Produkt- und operative Geschäftsmodellentwicklung in Verbindung mit der Erneuerung des Business Model Prototypes verstanden (vgl. Eckert 2016, S. 166ff.).

Im Mittelpunkt einer nachhaltigen Restrukturierung, im Nachgang an die klassischen Rettungsmaßnahmen, muss somit der Business Model Prototype (vgl. Eckert 2014 und 2016) stehen. Der Business Model Prototype stellt einen fokussierten Blick auf die wesentlichen Elemente eines Geschäftsmodells dar. Demnach ist ein Business Model Prototype vergleichbar mit einem Modell, welches die wesentlichen Details und die wesentlichen Wirkzusammenhänge eines Unternehmens beschreibt. Das operative Geschäftsmodell ist dann vergleichbar mit einem Template, welches aus dem Business Model Prototype abgeleitet wird und den detaillierten Umsetzungsplan liefert. Eine alleinige Veränderung des operativen Geschäftsmodells kann somit immer nur innerhalb der Grenzen des Business Model Prototypes erfolgen.

 

 Weiterführende Literatur:

Eckert, R. (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler, Wiesbaden.

Eckert, R. (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb, Springer Gabler, Wiesbaden, Veröffentlichung in Vorbereitung.

Porter, M. (1997), Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge, Harvard Business Manager, 2-17.

Roland Berger (Hrsg.) (2014), Entrepreneurial Restructuring. Crafting tailor-made business models for sustainable success, Think Act October 2014.

Making Corporate Innovation Work in Established Companies

Basic Idea

Some time ago, Steve Blank posted on Lean Innovation Management (Blank 2015). His main focus was on finding a unified theory of innovation which allows established companies to internally innovate with the same speed of startups. Blank focused on “two big ideas of corporate innovation”: Ambidextrous Organization (O’Reilly and Tushman (2004)) and the Three Horizons of Innovation (Baghai, M. et. al. (1999)). Ambidextrous explains that an established company has to separate between efficient and innovative organizational units. The Three Horizons of Innovation suggest that a company must allocate its innovation activities across three “horizons”. Blank mentions most companies treated this framework as a simply incremental execution of the same operating business model. In contrast he suggests a new definition of the Three Horizons of Innovation, focusing on operating business model innovation:

  • Horizon One (H1) represents parts of a company focused on the current competitive advantage/distinction. In H1, activities are based on the existing operating business model. In other words, the operating business model is based on the current business model canvas (elements) of a company (partners, value proposition, etc.).
     
  • The focus of Horizon Two (H2) is on building emerging businesses. In H2, activities are focused on extending the existing operating business model by changing some selected business model canvases. In other words, a company is using the current business model but is changing some selected elements of the business model canvas.
     
  • Horizon Three (H3) is about creating viable options for the future. In H3, a company tries to work out an unknown operating business model. Management expects that a new operating business model is needed, without knowing the elements and the combination.

We do not believe this new perspective should be the final idea. Therefore, we propose to include our concept of Business Model Prototyping (Eckert 2014) and our idea to separate between one- and multi-dimensional innovations (Eckert 2016).

  • A Business Model Prototype (BMP) represents the “minimum business model canvas” that describes how some core elements of a business must be connected. In this sense a BMP contains the strategic (core) competence of a company, the strategic processes linked to the strategic competence, the brand image, the strategic resources (product- and/or customer eco-system) and the overall value creation logic. Business Model Prototype and the Vision of a company form an axis. Both go back to the founder of the company. Both elements are stable and rarely changed in a static business environment.
     
  • Based on this definition of the Business Model Prototype, the operating business model (“Extended Business Model Prototype”) is a detailed template, which derives from the Business Model Prototype. Any changes of the Vision and/or the Business Model Prototype will have an impact on the Extended Business Model Prototype/operating business model.
     
  • One-dimensional innovations represent the traditional perspective on innovation. In this perspective a company starts with product innovation, afterwards the focus turns more and more to process innovation and/or operating business model innovation. One-dimensional innovations are strongly linked to a sequential perspective on the innovation process.
     
  • Multi-dimensional innovations combine two or more one-dimensional innovations. From this perspective, lean startup is a multi-dimensional innovation combining a product innovation with an operating business model innovation.

 

Vision, Business Model Prototype, Operating Business Model and the three Horizons of Innovation

As already mentioned Vision and Business Model Prototype form an axis. Both go back to the founder of the company. Both elements have a major impact on the operating business model and through the operating business model on structures, processes, systems, roles & responsibilities.

In H1, Vision and Business Model Prototype are static and rarely changed. The management focus is on the traditional competition on market shares and on improving the operating business performance. Management works on repeatable processes, procedures, incentives and key performance indicators. In H1 the main innovation focus is on continuous product innovation, process innovation as well as on operating business model innovation (based on a new strategic positioning). Main tools and methods are Lean Innovation/Fast Innovation and traditional innovation management tools such as “Stage Gate”.

In H2, a company extends its core business to increase the market share. With the focus on H2, the management team looks for new opportunities – this competition for opportunities starts with a strong link to the traditional competition for market shares. The Vision of the company will be changed but the Business Model Prototype is still static. There is no focus on changing the strategic competency, the strategic processes or the brand image. Due to the change of the Vision, there is a need for minor changes of the operating business model (e.g. different distribution channel, different partner network). H2-innovations cover product innovations and service innovations in combination with operating business model innovation (e.g. Lean Startup). We call these innovations multi-dimensional. Management in H2 works by experimenting on the operating business model (Extended Business Model Prototype) inside the current static Business Model Prototype.

Alibaba, the Chinese internet company, is mainly focusing on H2-innovations. Alibaba is constantly evolving and adapting to the changing market conditions (Horizon 2). The company began in 1999 as a B2B website for small manufacturing companies in China. As Alibaba began his business, only about one percent of Chinese had an internet connection. But an increase was to be expected in the future. Therefore, Alibaba worked out a new vision for (parts of) the company and began to work with an experimental Lean Startup approach (Eckert 2016). In this case, a vision is the future description of the business role of a company in the competitive environment (e.g. industry, competitive arena). Alibaba has changed its vision continuously during the last years.

H3 mainly focuses on creating something new through a new Business Model Prototype in combination with a new and disruptive vision of the future. Based on a disruptive/new vision and a new Business Model Prototype, there is also a strong need for a new operating business model. H3-innovations are multi-dimensional and based on a disruptive change of the Vision, the Business Model Prototype and the operating business model as a consequence.

The German Car2Go car leasing service provider, a subsidiary of Daimler and Europcar, is an example that shows an H3-innovation. Based on a new Vision, Car2Go represents a new Business Model Prototype unequal to the Business Model Prototype of the mother companies. Also, the operating business model (Extended Business Model Prototype) differs from the operating business models of Daimler and Europcar.

As a consequence, we have to say, that companies in hyper-dynamic environments have to focus on H2- and H3-innovation without losing control on H1. Success in the competition for market shares (H1) earns the money to increase activities in the competition for opportunity shares (H2 & H3); success in the competition for opportunity shares opens the door to remain successful in the future.

 

Start the journey

Now we are coming back to one of the initial ideas besides the Three Horizons on Innovation: The Ambidextrous Organization. As already mentioned, an ambidextrous organization is focusing on exploiting the present and on exploring the future. In particular this means that an Ambidextrous Organization separates the new, exploratory units from their traditional, exploitative ones with different processes, structures, and cultures.

In our perspective an Ambidextrous Organization is much more complex and has to define organizational units with a focus on H1-, H2- and H3-activities. H1-organizations are focusing on efficiency and continuous improvements. An H1-manager operates on performance goals and incentives. But this is not enough. In hyper-competition H1-managers need additional key performance indicators and incentives to support the experimental H2-activities. If “supporting H2-activities” is not part of the goals and incentives of the H1-managers, then there will be no real support.

In this situation, H2-activities are not entirely separated from the corporate structure (H1-organiation). H2-units are defined by a new vision which is different from the vision of the H1-unit. The H2-unit is an experimental organizational unit that uses the traditional Lean Startup approach and combines new product-/service-innovation with an operating business model innovation.

Compared to H2-activities H-3 activities are far away from the current (H1) and future (H2) corporate innovation activities. An H3-organizational unit works out a new (possible) vision of the future. All ideas are really disruptive in the eyes of H1-/H2-managers: a new Business Model Prototype with a new strategic competency, new strategic processes etc. and in some cases a need for a new brand image that is different from the brand image of the H1- and H2-units. H3-activities need a Business Model Prototype-focused Lean Startup-approach (Eckert, 2016).

 

Business Model Prototyping and multi-dimensional innovations are the future engine of an Ambidextrous Organization

A new Ambidextrous Organization has to focus on distinctive H1-, H2- and H3-activities.  There is a need for a strong link between H1- and H2-organizations. H1, H2- on the one side (e.g. Alibaba) and H3-organizational units on the other side are only loosely coupled (e.g. Car2Go). H3-organizational incentive schemes and key performance indicators do not need a linkage to H1- and H2-units.

H1-innovations are based on the current innovation methods (e.g. Fast Innovation, Stage Gate). H2- and H3-innovations are run with Lean Startup methods. Based on the strategic objectives of H3-innovations, Lean Startup has to be combined with Business Model Prototype in this specific situation.

 

References:

Baghai, M., Coley, St, and White, D. (1999), The Alchemy of Growth, Orion Business Books, London.

Blank, S. (2015), Lean Innovation Management – Making Corporate Innovation Work, posted on June 26, 2015, https://steveblank.com/2015/06/26/lean-innovation-management-making-corporate-innovation-work.

Eckert (2014), Business Model Prototyping. Geschäftsmodellentwicklung im Hyperwettbewerb. Strategische Überlegenheit als Ziel, Springer Gabler, Wiesbaden. (German)

Eckert (2016), Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. (German), to be published end of 2016

O’Reilly, C. A. and Tushman, M. L. (2004), The Ambidextrous Organization, in: Harvard Business Review, https://hbr.org/2004/04/the-ambidextrous-organization.

 

 

 

 

 

Wettbewerb um Chancenanteile vs. Wettbewerb um Marktanteile

Die Digitalisierung hat einen massiven Einfluss auf den klassischen Branchenwettbewerb. Auch das „Internet der Dinge“ verändert und beschleunigt diesen klassischen Branchenwettbewerb weiter. Zusätzlich hat die Digitalisierung auch massive Auswirkungen auf die Branchenstrukturen und auf die Rentabilität einer Branche.

Klassischer Wettbewerb in der Branche – der Wettbewerb um Marktanteile

Im klassischen Wettbewerb konzentrieren sich die Unternehmen insbesondere auf die bekannten Wettbewerber der Branche im Wettbewerbsvergleich:

  • Die meist bekannten Wettbewerber der eigenen Branche werden analysiert.
  • Best Practice in den relevanten Bereichen wird identifiziert und ganz oder in Teilen kopiert.
  • Es geht um Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens gegenüber den Branchenwettbewerbern.
  • Im Mittelpunkt des klassischen Branchenwettbewerbs steht ein Wettbewerb um Marktanteile.

Auch Innovationen sind in diesem klassischen Wettbewerb um Marktanteile von herausragender Bedeutung. Im Mittelpunkt stehen hierbei die bekannten Produkt-/Dienstleistungs-, die Prozess- und die operativen Geschäftsmodellinnovationen. Wir sprechen in diesem Fall von sogenannten eindimensionalen Innovationen, die in der Regel getrennt und nacheinander in den Unternehmen angestoßen werden.

 Hyperwettbewerb in der Branche und in der Wettbewerbsarena – der Wettbewerb um Chancenanteile

In den letzten Jahren hat eine zunehmende Dynamisierung des Wettbewerbs stattgefunden. Ein wesentlicher Treiber war und ist die Digitalisierung von Produkten und Prozessen. Dadurch ändert sich aber auch zunehmend der Wettbewerb selbst:

  • Der Hyperwettbewerb in der Branche wird zunehmend von Kunden- und Produkt-Ökosystemen geprägt, bei denen vernetzte smarte Produkte und vernetzte smarte Dienstleistung im Mittelpunkt stehen.
  • Zudem wird der Branchenwettbewerb durch einen Wettbewerb in Wettbewerbsarenen ergänzt oder ersetzt. Die klassischen Branchengrenzen lösen sich zunehmend auf. Unternehmen verschiedener Branchen treten immer öfter miteinander in einen direkten Wettbewerb um Kunden.
  • Kundenerwartungen werden zunehmend von einer Branche auf eine andere Branche übertragen. So zeigen bspw. Analysen, dass der vergleichsweise kurze Release-Wechsel von durchschnittlich zwölf Monaten in der Consumer Electronic (z. B. Smartphones) zunehmend Auswirkungen auf andere Branchen hat. Dieser Kundenanspruch aus der Konsumelektronik scheint somit z.B. auch zunehmend die Erwartungshaltung der Kunden auf dem Automobilmarkt mit zu bestimmen. Diese Entwicklung wird noch mehr zunehmen, je mehr sich die Produkte im Sinne von smarten Produkten in einer Wettbewerbsarena miteinander verzahnen.
  • Damit verliert der klassische Wettbewerbsvorteil zwar nicht an Bedeutung, die zeitliche Nutzung eines Wettbewerbsvorteils wird jedoch deutlich reduziert. Unternehmen müssen sich in der Konsequenz zunehmend auf den Wettbewerb um Opportunitäten konzentrieren, um kontinuierlich neue zeitlich befristete Wettbewerbsvorteile zu generieren. Das bezeichnen wir als den Wettbewerb um Chancenanteile.

 Wettbewerb um Chancenanteile – Konsequenzen für das Unternehmensmanagement

In einem zunehmend dynamischen Wettbewerb wird der klassische Branchenwettbewerb zunehmend durch einen dynamischen Branchenwettbewerb und eine branchenübergreifenden Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen ergänzt und ersetzt. Damit muss ein Unternehmen zunehmend häufiger und zunehmend schneller neue zeitlich befristete Wettbewerbsvorteile generieren. Das wird deutliche Veränderungen mit sich bringen:

  • Im klassischen Wettbewerb konzentriert sich das Management häufig nur auf die Marktanteile als wesentlichen Erfolgsmaßstab für den Unternehmenserfolg. Der Marktanteil gilt dann häufig als Ausdruck für eine gelungene strategische Positionierung im Markt und als Ergebnis für eine gelungene strategische Differenzierung zum Wettbewerb.
  • Der Marktanteilswettbewerb hat eine wesentliche Bedeutung für Ergebnis und Liquidität eines (etablierten) Unternehmens und darf deshalb nicht vernachlässigt werden.
  • Für den Hyperwettbewerb muss der bekannte Fokus auf den Wettbewerb um Marktanteile durch einen Fokus auf den Wettbewerb um Chancenanteile ergänzt werden.
  • Der Wettbewerb um Chancenanteile darf nicht mit dem klassischen Innovationswettbewerb gleichgesetzt werden. Im klassischen Innovationswettbewerb stehen eindimensionale Innovationen im Mittelpunkt; im zukünftigen Wettbewerb um Chancenanteile wird es zunehmend um multidimensionale Innovationen (z.B. Lean Startup) gehen.
  • In der Konsequenz werden Unternehmen dann auch den strategischen Managementprozess und auch den klassischen Innovationsprozess verändern müssen. Zunehmend wird sich auch die Frage nach der Rolle eines Chief Business Innovation Manager stellen.

Im neuen Chancenanteilswettbewerb müssen Unternehmen somit zunehmend in der Lage sein, multidimensionale Innovationen hervorzubringen. Zusätzlich wird es im Hyperwettbewerb aber auch immer mehr um die Gestaltung von zukunftsfähigen Organisationsstrukturen gehen. Die klassischen hierarchischen Organisationsmodelle sind in stabilen und planbaren Märkten und damit für den klassischen Marktanteilswettbewerb durchaus vorteilhaft. Hier bieten Spezialisierung und Effizienz eine klare organisatorische Wettbewerbsdifferenzierung. Dies gilt aber nicht mehr für den Chancenanteilswettbewerb. Ein sichtbares Zeichen für die zunehmenden Probleme hierarchischer Organisationsmodelle zeigt sich in der zunehmenden Herausbildung von Schattenorganisationen innerhalb klassischer Organisationsmodelle.

 

… Fortsetzung folgt …

Zur Vertiefung sei das Buch zum Thema „Business Innovation Management“ empfohlen, welches voraussichtlich im September bei Springer Gabler veröffentlicht wird. Ergänzende Überlegungen finden sich auch bei Eckert, Business Model Prototyping, Springer Gabler 2014 und in diversen weiteren Veröffentlichungen